Full text: [Band 1 = Sexta, [Schülerband]] (Band 1 = Sexta, [Schülerband])

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heute setzen die Burschen der Gebirgsgegenden zur Ehre der 
Mädchen in der Pfingstnacht geschmückte Maibäume vor das 
Fenster, wie du es vor allem in Oberhessen erleben kannst. An 
der Schwalm aber ziehen auf Pfingsten die Kinder in den Wald 
und kleiden einen Knaben von Kopf bis zu den Füßen in Laub. 
Im Zuge wird dieses „Pfingstmännchen" in das Dorf geleitet. Dort 
werden Lieder gesungen, und auf einem freien Platze vor dem Orte 
wird schließlich das Pfingstmännchen unter allgemeinem Jubel wieder 
von seiner Laubhülle befreit. 
Meist ist es am ersten Pfingsttage still, nur die Glocken der 
Gotteshäuser reden und laden zur ernsten Feier; aber am zweiten 
Tage wird der Jubel laut. Da wird der Pfingsttanz gehalten, der 
an manchen Orten noch am Nachmittag unter der Dorflinde be¬ 
ginnt, wo Alt und Jung sich zum fröhlichen Treiben zusammen¬ 
findet. Der Ausdruck „Pfingstbier" erinnert auch an diesen Brauch. 
In einem altertümlichen Städtchen Oberhessens wird nach Väter 
Sitte draußen vor der Stadt am „Hammer", wie der Platz 
heißt, unter zahlreicher Beteiligung der Bürgerschaft das „Pfingst- 
schießen" abgehalten. An anderen Orten ziehen fröhliche Gesell¬ 
schaften frühe schon aus in den Wald; am Lagerplatz lodern 
bald die Feuer, an denen die Mädchen den Kaffee kochen, zu dem 
der in Körben reichlich mitgebrachte Pfingstkuchen gut mundet. 
Vielleicht hörst du auch von einem besonders aufgeputzten Bur¬ 
schen sagen, er sei geschmückt wie ein Pfingstochse. Dann denke 
daran, daß in manchen Gegenden am dritten Pfingsttage zum ersten 
Male wieder die Herden auf die Sommerweide des Vogelsberges 
getrieben wurden, wobei jeder Knecht seine Ehre darein setzte, seine 
Tiere möglichst bunt zu schmücken. Im Odenwald werden zum 
Pfingstfest die Brunnen gereinigt und mit Blumen und Maien ge¬ 
schmückt; manchmal werden auch Blumensträuße um die Brunnen¬ 
tröge gewunden oder in die Schalen gelegt. In der Nähe von 
Michelstadt und in dem Städtchen selbst wirst du deine helle Freude 
an den prächtig gezierten Brunnen haben, wenn dich dein Weg 
am Pfingstfest in diese Gegend führt. Wahrscheinlich sind diese 
Blumengaben Reste heidnischer Opfer, die den Wassergottheiten 
als Dank für ihre zum Wohlbefinden des Menschen so notwendigen 
Gaben dargebracht wurden. Die christliche Kirche hat hier gesiegt, 
aber Reste des alten Glaubens sind immer noch vorhanden. 
So kehrt auch in unserer Heimat mit mancherlei altem Brauch 
und mit längst gewohnter Sitte deutschen Volkslebens Pfingsten, 
das liebliche Fest, alljährlich wieder. Frühlingsfroh erglänzt an ihm
	        
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