Full text: [Band 1 = Sexta, [Schülerband]] (Band 1 = Sexta, [Schülerband])

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die wieder erstandene Natur in ihrem herrlichsten Prangen. Die 
befiederten Sänger in Feld und Wald lassen ihre fröhlichen Weisen 
ertönen. Mit Freude atmen auch wir den frischen Duft der Blumen 
und Blüten. Unser Herz schlägt freudig, wenn wir die Natur in 
ihrem Pfingstgewand bewundern. Fast kommt es uns vor, als ob 
wir das Weben und Walten eines gewaltigen Geistes in der großen 
Schöpfung verspüren, und wenn dann in all das Summen und 
Jubilieren draußen von den Türmen unserer Gotteshäuser die Fest¬ 
glocken ihre ehernen Stimmen in packenden Klängen ertönen lassen, 
dann ist es uns, als fühlten wir etwas von jenem Geist, der am 
ersten Pfingstfest^ über jene Pfingstgemeinde zu Jerusalem kam, 
und der auch hernte noch Einzug halten will in unsere Herzen! 
82. Till Eulenspiegel. 
Nach J. H. Campe, Kinder- und Jugendschriften. 
a. Wie Eulenspiegel ein Schneidergesell wird. 
iill Eulenspiegel verdingte sich einst zu einem Schneider. 
Dieser sagte zu ihm: ,,Lieber Gesell, arbeite schön und 
nähe fein, daß man es nicht sieht." Da kroch Eulen¬ 
spiegel unter ein Faß und nähte im Finstern. Der Meister sprach: 
„Was treibst du? Wer hieß dich dahin kriechen?" Till antwortete: 
„Ihr habt mich ja geheißen zu nähen, daß es niemand sieht." — 
Am Abend wurde der Meister schläfrig und wollte zu Bette gehen. 
Da sprach er zum Gesellen: „Ich wünsche, daß dieser graue Bauern¬ 
rock noch fertig werde; mach’ also den Wolf zurecht!" Eulenspiegel 
war die ganze Nacht bemüht, aus dem Bauernrocke einen Wolf zu 
bilden mit Kopf, Schwanz und Füßen, und als er am Morgen 
fertig war, kam der Meister und sah sein blaues Wunder. „Wie 
hast du wieder Schalkheit getrieben!" sprach er zu Till; „ich wollte 
keinen Wolf, sondern nannte bloß den Bauernrock einen Wolf." 
„Das ist nicht meine Schuld," erwiderte Eulenspiegel; „sprecht, 
wie Ihr denkt, und ich werde immer tun, was Euch zufrieden 
macht." — Am Abend ging der Meister abermals früh schlafen 
und warf dem Eulenspiegel einen Rock und zwei Ärmel zu mit 
den Worten: „Wirf noch die Ärmel in den Rock, und dann magst 
du dich auch zu Bett legen." Darauf ging er fort. Eulenspiegel 
hing den Rock an die Wand, zündete zwei Lichter an und warf 
die Ärmel die ganze Nacht hindurch nach dem Rocke. Als nun 
der Meister am Morgen aufgestanden war, stand Eulenspiegel noch 
und warf die Ärmel. „Meister," rief er, „welch böse Arbeit habt
	        
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