282
Bräuchen ritterlichen Gesellschaftslebens, in der höfische:: Umgangs¬
sprache, wohl auch in der Handhabung der Harfe und Rote (einen:
zwischen Harfe und Fiedel in der Mitte stehenden Saiteninstru¬
mente); denn es ist mehrfach bezeugt, daß bei Bauketten Gesang
und Saitenspiel der Reihe nach unter den Gästen umgingen.
Fürstentöchter wurden gewöhnlich einer Erzieherin (Meisterin) über¬
geben und wäre:: während ihrer Lehrjahre meist von einer Schar
gleichalteriger Mädchen aus den besten Töchtern des Landes um¬
geben, die den Unterricht in weiblichen Fertigkeiten und in der
Anstandslehre mit genossen. Wer von den Reicheren seine Töchter
nicht so bei Hofe unterbringen konnte, gab sie in die Frauenklöster
zur Erziehung, welche sich freilich fast durchgehends auf die Bei¬
bringung mechanischer Geschicklichkeit in feineren weiblichen Arbeiten
oder der Kenntnis der Gebetsformeln, einiger biblischen Geschichten
und Heiligenlegenden beschränkte. Daß jedoch in den Frauen¬
klöstern da und dort ein größerer Bildungstrieb, ein mehr wissen¬
schaftlicher Sinn sich regte, der dann auch in den Schülerinnen
Keime treiben mußte, beweist die Nonne Roswitha. Auch ist aus¬
gemacht, daß viele Frauen der mittelalterlichen Gesellschaft in feiner
und geistreicher Weise bedeutende Gesprächsstoffe zu behandeln
wußten, daß sie nicht nur Vokal- und Jnstrmnentalmusik anmutig
zu üben verstanden, sondern daß sie auch in der Kunst des Lesens
und Schreibens den Männern weit überlegen waren und für die
Werke zeitgenössischer Dichtung lebhaftes Interesse und zartes Ver¬
ständnis zeigten. Mehrere der alten Dichter äußern ausdrücklich,
daß sie auf Leserinnen rechneten, und wir dürfen mit Bestimmt¬
heit annehmen, daß auf den Putztischen vieler Burgfrauen Lieder¬
büchlein und Rittergedichte in zierlicher Handschrift zu sehen waren,
wenngleich nicht so häufig und zahlreich wie die Albums und Mi¬
niaturausgaben auf den Tischen der heutigen Frauenwelt. Scherr.
174. Der Graf von Habsbnrg.
1. Au Aachen in seiner Kaiserpracht,
im altertümlichen Saale,
saß König Rudolfs heilige Macht
beim festlichen Krönungsmahle.
Die Speisen trug der Pfalzgras des Rheins,
es schenkte der Böhme des perlenden Weins,
»