Full text: (Für das 6. und 7., resp. 8. Schuljahr) (Band 3, [Schülerband])

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Thal erweiterte sich, indem es sich in mannigfaltigen Krümmungen wand; 
aber die Felsenwände standen in erschreckender Höhe und Nähe da, und 
nur ein schmaler Streifen des blauen Himmels warf ein dämmerndes Licht 
in die enge Tiefe, die unseinklemmte. Hier trafen wir eine Wohnung-, 
ein Bauer mit seiner Familie hat sich in diese einsame Schlucht hinein¬ 
gedrängt, und aus der Rauch- und Lichtöffnung entdeckt man beide Felsen¬ 
wände zugleich. Es ist, als drohte sie hoch über dem Dache des kleinen 
Hauses sich zu schließen. Als wir nun in diesem seltsamen Thale den 
Biegungen folgten, den brausenden Fluß neben uns, von den drohenden 
Felsen eng umschlossen, ward es immer dunkler. Der Tag ist hier viel 
kürzer, selbst mitten im Sommer dringt die Sonne nur ein paar Stunden 
in die enge Kluft herein, und bald tappten wir im Finstern. Riesenhafte 
Felsenblöcke hatten sich in dem engen Thale angehäuft, nicht, wie ge¬ 
wöhnlich, von oben heruntergestürzt. Die Wände waren unten im Grunde 
wie zersprengt; große Aushöhlungen hatten sich dadurch gebildet, und 
die feste Masse hing wie frei schwebend auf beiden Seiten über uns. 
Dichtes Gebüsch wucherte verworren zwischen den Felsentrümmern, die 
in wilder Unordnung übereinandergestürzt waren; einzelne große Bäume 
umfaßten mit ihren kahlen Wurzeln die rauhen Blöcke und schauten von 
der Höhe düster in das vorüberrauschende Wasser. Das Fortkommen ward 
immer beschwerlicher, ja, als die Finsternis zunahm, sogar gefährlich. „Hier 
ist die Kirche und die Kanzel," sagte Jngier, „und hier wollen wir bleiben." 
Unser Begleiter hatte uns verlassen, er war bei seinen Ver¬ 
wandten in der einsamen Rauchhütte geblieben, und Jngier hatte die 
Führung über sich genommen. Es war uns, jung und rüstig, wie wir 
waren, keineswegs unangenehm, die Nacht auf eine solche Weise zuzu¬ 
bringen. Eine wilde Zusammenhäufung von Felsenmassen, die einen 
mannigfaltig sich windenden engen Raum einschließen, nennt man die 
Kirche, ein schmaler Eingang führt zu den Höhlen, und es war unsere 
Absicht, Gras und Moos zu sammeln, um uns dort ein nächtliches Lager 
zu bereiten. Und hier, wo wir, begraben in den verborgensten Tiefen 
der Steinwelt, wie unterirdische Geister in nächtlicher Stille herumwühlten, 
während die Gebirgswasser neben uns brausten, erschien uns alles wahr¬ 
haft gespensterhaft. Wir hatten ein Licht angezündet, kein Luftzug drang 
zu uns. Trockene Zweige wurden zum Brennen gebracht, und schnell 
prasselte eine mächtige Flamme auf, die eine seltsame Beleuchtung auf die 
Bäume, auf die dunklen Felswände und das brausende Wasser warf. 
Steffen. 
180. I)i6 Femgerichte. 
Außerordentliche Zeiten wie jene, wo alles gegeneinander 
kämpfte, der Kaiser gegen den Papst, die Fürsten gegen den
	        
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