Full text: (Fünftes und sechstes Schuljahr) (Teil 3, [Schülerband])

Dann kam der Laternenanstecker mit seiner langen Stange. Diese hielt 
er hinein in das gläserne Gehäuse, und dann sprang jedesmal ein Licht 
heraus und setzte sich an seinen Ort wie auf ein Stühlchen und brannte 
ruhig fort, als könne es gar nicht anders sein. 
Dann mußte Stina ihm Geschichtchen erzählen von Klas Avenstaken 
und dem Pfannkuchenberg und von der Prinzessin Kläterpott, denn die 
Zeit ward ihm lang, und erfragte alle Augenblicke: „Geht's noch nicht 
bald los? Jst's noch nicht bald Weihnachten?" Nachher sang das 
Mädchen ein schönes, plattdeutsches Lied, das er sehr gern hatte, und 
wenn dann seine Lieblingsstelle kam: 
„In dei grote Mariegenstraat, 
wo all dei lütt Kinnings up Tüfseln hengaht", 
da lachte er und klatschte in die Hände. 
Dann kam ihm wieder der Weihnachtsengel in den Sinn: „Kann 
man es sehen, wenn er kommt und all die schönen Sachen bringt?" 
fragte er. „Ja", sagte Stina, „denn kommt so'n hellen Schein in die 
Luft, un mit eins is er da." — „Klingelt er gar nicht an der Haustür?" 
— „Nee, das braucht er nich, der kommt allerwegens durch." — „Ach!" 
sagte der kleine Helmut. Dann aber nahm er sich vor, er wolle auf¬ 
passen auf den hellen Schein, vielleicht würde er den Engel doch zu 
sehen friegen. 
Unterdes war es ganz dunkel geworden, und aus einer Türritze 
des Weihnachtszimmers fiel ein heller Lichtstrahl und zeichnete einen 
langen, feinen Streifen auf den Fußboden. Vor dieser Ritze saß aber 
die große weiß und gelb und braun gefleckte Katze, hielt den Kopf 
etwas schief geneigt und blickte aufmerksam in den hellen Schimmer. 
Helmut war gleich hinzugelaufen, und als er nun die Katze sah, rief 
er: „Kuck mal, Stina, Mieseman freut sich auch ans Weihnachten und 
kann's auch schon gar nicht mehr aushalten!" 
In diesem Augenblick fuhr draußen ein herrschaftlicher Wagen vorbei, 
und der helle Lichtschimmer seiner Laterne glitt oben an der Decke des 
dunkeln Zimmers entlang. 
„O", sagte Helmut, „das war der Weihnachtsengel, und nun hab' 
ich doch nicht aufgepaßt!" Dann stand er und horchte, denn im Weih- 
nachtszimmer regte es sich, Stühle wurden gerückt, man hörte eilig 
gehen, Rauschgold knisterte, und der helle Schein, der durch die Ritze 
siel, verstärkte sich zusehends. Zugleich verbreitete sich ein sanfter Geruch 
nach angesengten Tannennadeln. „Nun riecht es schon nach Weih¬ 
nachten!" rief der Kleine, und seine Augen leuchteten. 
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