Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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zwar knatterte eine Salve der Franzosen hinter ihm her, und die besten der 
feindlichen Reiter gaben ihren Pferden die Sporen, ihm nachzujagen; aber 
das französische Roß, welches der Graf erhascht hatte, war gut und trug 
seinen tapferen Reiter mit Windeseile dahin. Er hatte bald einen ziemlichen 
Vorsprung gewonnen und erreichte einen Wald, in dessen Dickicht er sich 
verbarg. Er band hier sein Pferd an und erkletterte einen hohen Baum, um 
weiter ausblicken zu können. Kaum war dieses geschehen, so kamen mehrere 
Züge der französischen Reiter angesprengt, welche den Wald nach allen 
Richtungen durchritten. Zum Glück blieben sie auf den gangbaren Wegen 
und versäumten es, das Dickicht abzusuchen. Sonst würden sie unfehlbar 
das verlassene Pferd und bald auch seinen Reiter gefunden haben. 
Gegen drei Stunden hatte Graf Zeppelin dort oben im Verstecke 
gesessen, da ward es still. Seine Verfolger mußten wohl abgezogen fein 
Run stieg er von dem Baume herab und schlich sich an den Waldsaum, 
um zu sehen, ob die nächste Umgegend von dem Feinde frei sei. Denn 
noch galt es, einen Rückweg von neun Stunden bis zur Grenze zurückzulegen. 
Auf einer benachbarten Wiese gewahrte er einen mit zwei mageren 
Kühen bespannten Wagen, auf den ein Bauer und seine Tochter Heu 
luden. Er näherte sich ihnen und bat sie um einen Labetrunk. Der Bauer 
molk seine beiden Kühe; die gaben zusammen nicht ganz einen halben 
Schoppen Milch. Die Tochter schenkte ihm zwei Birnen, die sie für den 
eigenen Durst zu sich gesteckt hatte. „Ich gebe sie Euch gern", sagte sie 
und weinte dabei; „mein Bruder ist auch im Kriege." Mit einem herzlichen 
„Vergelt's Gott!" schied Graf Zeppelin von den guten Menschen. 
Er suchte nun sein Pferd wieder auf und schwang sich in den Sattel. 
Das gute Tier mußte die ganze Zeit lautlos und mauerfest gestanden haben. 
Graf Zeppelin war im Augenblicke des Überfalls gerade mit seinen Karten 
beschäftigt gewesen und hatte diese nebst seinem Mantel im Stiche lassen 
müssen. Auf gut Glück also, ohne Menschen nach dem Wege fragen zu 
dürfen, im Gegenteil diesen und den Ortschaften ausweichend, mußte er 
durch rauhes, unwegsames Waldgebirge reiten. Mit Eintritt der Dunkel¬ 
heit brach ein schweres Gewitter mit heftigen Regengüssen aus, und ganz 
durchnäßt erreichte er erst in tiefer Nacht ein einsames, mitten im Walde 
gelegenes Hänschen, wo er einige Stunden rastete. 
3. Sobald der Tag graute, bestieg er wieder sein Roß und ritt auf 
Nebenwegen mit größter Vorsicht der Grenze zu. Sehr zu statten kam es 
ihm, daß sein Pferd französische Ausrüstung trug, so daß die Bauern, 
denen er begegnete, irre wurden und ihn wohl für einen französischen 
Reiter hielten. In diesem Glauben wußte er sie durch seine kecke, furcht¬ 
lose Haltung noch mehr zu bestärken. So kam er endlich bis zur Grenze 
und betrat voll innigen Dankes gegen Gott, der ihn aus allen Gefahren
	        
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