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Schenkendorf.
Der große Klecks in der Mitte bin ich.
Der Feind einer dort von den vieren,
Der kann nun von vorn oder hinten auf mich.
Von rechts oder links auch marschieren.
Dann rück' ich auf einem der Striche vor
Und hau' ihn, wo ich ihn treffe, aufs Ohr."
Da hat der König laut aufgelacht
Und bei sich selber gemeinst:
„Der Zielen ist klüger, als ich es gedacht,
Sein Geschmier sagt mehr, als es scheinet.
Das ist mir der beste Reitersmann,
Der den Feind schlägt, wo er auch rücket an."
Friedrich Ferdinand Gottfried Max Schenk von
Schenkendorf.
111. Die Muttersprache.
Muttersprache, Mutterlaut,
Wie so wonnesam, so traut!
Erstes Wort, das mir erschallet,
Süßes, erstes Liebeswort,
Erster Ton, den ich gelallet,
Klingest ewig in mir fort.
Sprache, schön und wunderbar,
Ach, wie klingest du so klar!
Will noch tiefer mich vertiefen
In den Reichtum, in die Pracht;
Ist mir's doch, als ob mich riefen
Väter aus des Grabes Nacht.
Ach, wie trüb' ist meinem Sinn,
Wann ich in der Fremde bin,
Wann ich fremde Zungen üben,
Fremde Worte brauchen muß,
Die ich nimmermehr kann lieben,
Die nicht klingen wie ein Gruß!
Klinge, klinge fort und fort,
Heldensprache, Liebeswort!
Steig empor aus tiefen Grüften,
Längst verschollnes altes Lied,
Leb' aufs neu in heil'gen Schriften,
Daß dir jedes Herz erglüht!
Überall weht Gottes Hauch,
Heilig ist wohl mancher Brauch;
Aber soll ich beten, danken,
Geb' ich meine Liebe kund,
Meine seligsten Gedanken:
Sprech' ich wie der Mutter Mund.