Schiller.
103
Johann Christoph Friedrich von Schiller.
112. Sehnsucht.
(Spätestens 1802.)
Ach, aus dieses Thales Gründen,
Die der kalte Nebel drückt.
Könnt' ich doch den Ausgang finden,
Ach, wie fühlt' ich mich beglückt!
Dort erblick' ich schöne Hügel,
Ewig jung und ewig grün!
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Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel,
Nach den Hügeln zög' ich hin.
Ach, wie schön muß fich's ergehen
Dort im ew'getl Sonnenschein,
Und die Luft auf jenen Höhen,
O, wie labend muß sie sein!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
Der ergrimmt dazwischen braust;
Seine Wellen sind gehoben,
Daß die Seele mir ergraust.
Harmonieen hör' ich klingen,
Töne süßer Himmelsruh,
Und die leichten Winde bringen
Mir der Düfte Balsanr zu;
Goldne Früchte seh' ich glühen,
Winkend zwischen dunkelm Laub,
Und die Blumen, die dort blühen,
Werden keines Winters Raub.
Einen Nachen seh' ich schwanken.
Aber ach! der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken,
Seine Segel find beseelt!
Du mußt glauben, du mußt wagen,
Denn die Götter leihn kein Pfand;
Nur ein Wunder kann dich tragen
In das schöne Wunderland.
113. Die Worte -es Glaubens.
(1797.)
Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschtver,
Sie gehen von Munde zu Munde;
Doch stammen sie nicht von außen her.
Das Herz nur giebt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren.
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren!
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall;
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen siehr,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.