15. Siegfrieds Ermordung.
a. Um seinen Racheplan auszuführen, veranstaltete Hagen
einen großen Jagdzug nach dem Odenwalde. Als Siegfried sich
am Morgen des festgesetzten Tages von seiner liebenden Gattin
verabschieden wollte, flehte Kriemhild ihn weinend an, nicht mit
auszureiten. „Ein böser Traum," sprach sie, „hat mir Angst
gemacht; ich sah dich vor zwei wilden Ebern über die Heide
dahinfliehen, und die Blumen wurden von deinen: Blute gerötet.
Ich fürchte, dir droht Unheil von heimlichen Feinden." „Teures
Weib," erwiderte Siegfried, „bekümmere dich nicht! Wer sollte
mir ein Leid antun wollen? Mit mir sind deine Verwandten;
um sie alle habe ich nur Liebe verdient. Ich kehre in kurzer
Zeit zu dir zurück." „Ach," sprach Kriemhild, „ich sorge gar
zu sehr um dich. Ich sah im Traume zwei Berge auf dich fallen
und dich ganz bedecken. Geh nicht fort, es ist mir gar zu bang
zu Mute!" Doch Siegfried lächelte über die Besorgnis seiner
Gemahlin; er umarmte und küßte sie noch einmal herzlich und
schied von ihr.
Bald traf er Günther und Hagen, die mit großem Gefolge
zur Jagd in den Odenwald auszogen. Am Eingang des Forstes
trennten sich die Jagdgenossen, und jeder suchte für sich die Spur
eines Wildes auf. Mit Siegfried ritt nur ein einziger Knappe,
der einen Spürhund an der Koppel führte. So stark und schnell
war König Siegmunds Sohn, daß kein Getier des Wäldes ihm
entgehen konnte; den Jagdspieß in sicherer Hand erlegte er einen
Löwen, einen Büffel, ein Elentier, vier gewaltige Auerochsen,
einen Eber und anderes Wild, bis lauter Hörnerklang die Jäger
nach dem Sammelplätze rief. Auf dem Rückwege stieß Siegfried
noch aus einen Bären; er eilte dem Untier nach, fing es lebendig
und band es an den Sattel seines Pferdes. Am Sammelplatz
angekommen löste er dem Büren die Bande und ließ ihn los,
um sich einen Spaß zu machen. Die Jäger stoben entsetzt aus¬
einander; der Bär aber lief in die Feldküche, wo die Diener
das Essen zubereiteten, und stürzte Kessel und Bratspieße ins