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Dörfer zog; und jetzt hat er einen großen Kramladen und tut Geld auf Zins
aus. Mit ehrlichen Pfennigen hat der Mann sein Sparen angefangen; denn er
wußte, daß hundert kupferne Pfennige auch eine Silbermark ausmachen.
„Sparen soll ich, sagt der dritte; aber wann? Heißt es doch: Freut
euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht! Lassen wir also das Sparen,
bis die Lust gebüßt ist und die Rosen auf den Wangen abblättern!" — Soll ich
antworten? Spare beizeiten, ehe es zu spät wird, ehe es auf die Neige geht
mit deinem Vorrat und deiner Kraft, etwas zu erwerben. Spare in den Sommer¬
tagen für die Wintertage des Lebens. Jeder gesunde Mensch hat wenigstens
einmal im Leben seine Sommer- und Erntezeit. In jungen Tagen baut man
sich für das Alter die Hütte. „Wenn man im Rohre sitzt, muß man die Pfeifen
schneiden."
„Sparen soll ich, fragt Nachbar Ratlos, aber wo es lassen?" Ist bei
dir zu Stadt und Land keine Sparkasse und der Sparpfennig in beinern eignen
Gewahrsam nicht sicher, so mache einen wohlhabenden und rechtlichen Mann zu
deinem Einnehmer und bitte ihn dabei — nicht ans Mißtrauen, sondern wegen
Lebens und Sterbens — um zwei Zeilen Bescheinigung über geschehene Ein¬
zahlung.
Aber noch eins: Hat dir mein Sprüchlein: „Spare was, so hast du was!"
das Sparen angeraten, so gerate doch nicht aufs Geizen, sondern laß rechts den
Geiz und links die Verschwendung liegen und gehe unbeirrt die edle Mittelstraße
der Sparsamkeit. Nach dem „Volksspiegel".
57. Lakonische Denksprüclie.
Kleomenes, Sohn des Anaxandridas.
Den Gesandten von Samos, die ihn zum Kriege gegen ihren Tyrannen
Polykrates in einer langen Rede aufforderten, gab er die Antwort: „Von dem,
was ihr gesagt habt, habe ich den Anfang vergessen, und darum verstehe
ich auch nicht, was in der Mitte ist; das Ende aber gefällt mir nicht.“
Leonidas.
Ein Lakedämonier behauptete, vor den Geschossen der Barbaren sei
es nicht möglich, die Sonne zu sehen; „Das ist gut, antwortete er, wir
werden also im Schatten kämpfen.“
Ein anderer brachte die Nachricht, daß die Feinde schon ganz nahe
seien. „Dann sind auch wir ihnen nahe,“ war seine Antwort.
Seine Soldaten ermahnte er, das Frühstück einzunehmen, da sie das
Mittagsmahl im Hades halten würden.
Als Xerxes noch einmal an ihn schrieb: „Sende die Waffen!“ schrieb
er zurück: ;,Komm’ und hole sie!“
Lysandros.
Denen, die den Lysandros tadelten, daß er in den meisten Fällen be¬
trügerisch verfahre, was doch eines Nachkommen des Herakles unwürdig
sei, und daß er mehr der List als der Aufrichtigkeit sein Glück zu ver¬
danken suche, gab er lachend zur Antwort: „Wo die Löwenhaut nicht aus¬
reicht, muss man die Fuchshaut annähen.“
Als ihm andere die Verletzung des Eides vorwarfen, den er zu Milet
geleistet, sprach er: „Die Kinder muß man durch Würfel täuschen, die
Männer durch Eidschwüre.“