Full text: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

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seiner Familie um so mehr Glück und Freude. Vor allem aber war er 
glücklich, die Morgenröte des langersehnten Friedens begrüßen zu können. 
Als der Krieg, welcher Deutschland so schwer heimgesucht hatte, vor¬ 
über war und endlich, endlich Friede ward, da brachte Rinckart zum 
Ausdruck, was das ganze Volk in seiner Seele bewegte. Voll innigen, 
aus tiefstem Herzensgründe kommenden Dankgefühls schuf er das Lied: 
Nun danket alle Gott! Dies hat allein schon seinen Namen un¬ 
sterblich gemacht. Waren mit dem langersehnten Friedensschlüsse auch 
die Folgen des unglückseligsten Krieges, der je in Deutschland gehaust, 
nicht im mindesten verwischt, so klang das Lied „Nun danket alle Gott" 
doch in den Herzen aller, die dem Schwerte des Feindes, der Pest und 
dem Hungertode entronnen waren, beruhigend und tröstend wieder. 
Rinckarts schönes Friedenslied hat seine wunderbare Kraft nach¬ 
mals noch bei mancher Friedensfeier erwiesen. Als es im Jahre 1815 
auf Märkten und Plätzen gesungen wurde, hat es des deutschen Volkes 
Herz ebenso durchdrungen und zu begeistertem Danke entflammt, wie in 
den Jahren 1870 und 71. Wer erinnerte sich nicht gern des tiefen 
Eindruckes, den es hervorrief, als es nach der Schlacht bei Sedan in 
allen deutschen Gauen vieltausendstimmig zum Himmel emporschallte! 
Aber auch im Feindeslande ist es erklungen, es hat unsern braven 
Kriegern zum Ausdrucke inniger Gefühle nach heißen Tagen erfolgreichen 
Kampfes gedient. Bei dem Marsche, den nach der erwähnten Schlacht 
das vierte Armeecorps in der Richtung aus Paris antrat, kam das 
thüringische Infanterie-Regiment Nr. 96 nach Angecourt. Hier hielt 
es seine Nachtruhe. Ein Bataillon schlug sein Lager in der Kirche auf; 
die Mannschaften lagerten im Schiff, die Offiziere in der Sakristei. 
Schon hatten die todmüden Krieger, als die Abenddämmerung die hohen 
Kirchenfenster umschleierte, sich zum Schlummer hingestreckt, die Gedanken 
weilten noch bei dem Erlebten oder bei den Lieben in der Heimat, als 
erst leise und dann immer stärker auf der Orgel die Melodie des 
Liedes „Nun danket alle Gott" erklang. Wie aus einer Brust stimmten 
jetzt alle, Offiziere und Soldaten, in den heiligen Gesang ein. Danach 
trat der Orgelspieler hervor und hielt eine kurze, aber zu Herzen gehende 
Ansprache. Und zum Schluffe stimmte man unter Orgelton das alte 
protestantische Lied an: „Ein feste Burg ist unser Gott". Und welchen 
Eindruck hatten dadurch die vorher düster, ja wehmütig gestimmten 
Krieger empfangen? Allen, allen war nun wohl im Gemüte — so 
schrieb ein Offizier, — alle dankten dem braven Sänger und Redner. 
Er war ein thüringischer Lehrer, der als gewöhnlicher Soldat in der 
elften Kompanie stand; ihm dankte ein ganzes Bataillon diesen herrlichen 
Abendsegen. 
In ähnlicher Weise hat Rinckarts Danklied noch mehrfach während 
des letzten großen Krieges die Gemüter unserer kämpfenden Brüder er¬
	        
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