Full text: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

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frischt. Auch früher schon ist es mitten auf dem Kampfplatze angestimmt 
worden. So am 5. Dezember 1757. Die denkwürdige Schlacht bei 
Leuthen war geschlagen; das Heer des alten Fritz hatte das dreimal 
stärkere der Österreicher in die Flucht geworfen. Das ermüdete Heer 
blieb zunächst auf dem Schlachtfelde. Die tapferen Krieger, von Mattig¬ 
keit, Frost und Hunger überwältigt, hatten sich neben Verwundeten und 
Toten auf den nebelfeuchten Boden hingestreckt. Doch als man von 
Lissa her, wohin der König mit einer Schar Husaren vorangeeilt war, 
Kanonendonner vernahm, brach Plötzlich alles auf, und der nächtliche 
Marsch ging in lautloser Stille vor sich. Da sang auf einmal ein 
Grenadier laut und langsam in die Nacht hinein: „Nun danket alle 
Gott". Bald sangen einige Kameraden mit, die Spielleute fielen mit 
ihren Instrumenten ein, und nach wenigen Augenblicken sandten 25 000 
Stimmen ihr Loblied zu dem, „der große Dinge thut an uns und allen 
Enden". Der Eindruck auf alle war ein gewaltiger, neuer Mut beseelte 
die erschöpften Krieger. Der König selbst rief danach aus: „Mein Gott, 
welch eine Kraft der Religion!" 
Wie schön, wie erfreulich, daß sich Rinckarts kräftiges Lied im Volke 
erhalten hat bis auf den heutigen Tag! Wo man sich vereint, in recht 
herzlicher Weise Gott zu danken, da ertönt stets jener alte, allbeliebte 
Lobgesang. Nicht allein bei kirchlichen Dankfesten, nicht nur im Gottes¬ 
hause stimmt ihn die Christengemeinde an, auch bei bürgerlichen Freuden¬ 
festen erklingt er, im Hause, wie im Freien. Nach eingebrachter Ernte, 
nach dem Heben des neuen Gebäudes, bei Kindtaufs- und Hochzeitsfeiern, 
bei Vereinigungen am Sylvesterabende und vielen andern Gelegenheiten 
fingt man so gern: „Nun danket alle Gott". Welches Lied in unserem 
Gesangbuche ist wohl mehr ins Volk gedrungen, welches wird häufiger 
angestimmt, welches ist nach Text und Melodie bekannter als Rinckarts 
frommes Danklied? Ist es nicht im eigentlichen 'Sinne des Wortes 
ein religiöses Volkslied? Und ein solches wird es bleiben in alle Zukunft. 
Faveln irnd Parabeln. 
53. Äer Nabe und der Fuchs. 
Ein Rabe trug ein Stück vergiftetes Fleisch, das der erzürnte 
Gärtner für die Katzen seines Nachbars hingeworfen, in seinen Klauen 
fort. Und eben wollte er es auf einer alten Eiche verzehren, als sich 
ein Fuchs herbeischlich und ihm zurief: „Sei mir gesegnet, Vogel des 
Jupiter!" — „Für wen siehst du mich an?" fragte der Rabe. — „Für 
wen ich dich ansehe? erwiderte der Fuchs. Bist du nicht der rüstige
	        
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