Full text: [Teil 2 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 2 = Quinta, [Schülerband])

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Ich selbst hatte mir unterdessen, schneller als sich dies alles erzählen 
läßt, ein reiterloses französisches Pferd eingefangen und schwang mich 
rasch in den Sattel. Da nun unsere Schwadron wieder gegen das Dorf 
heransauste, so sprengte auch ich wieder aus die Franzosen ein und war 
bald weit voraus; denn das französische Pferd wollte durchaus zu seinen 
Kameraden und war nicht mehr aufzuhalten. So befand ich mich mit 
einem Male mitten im Dorf und sah mich dicht von Franzosen umringt, 
die von allen Seiten auf mich losgingen. Sie schrieen mir fortwährend 
zu: „Pardon, Kamerad!" und deuteten mir an, ich solle den Säbel 
wegwerfen und mich ergeben. Aber da hätte ich mir ja die Augen 
aus dem Kopfe schämen müssen, wenn es nachher unter meinen Kameraden 
geheißen hätte: „Der Reiter Mucke hat sich doch ergeben." Daher schrie 
ich nur: „Nix da Pardon!" und wehrte mich, so gut es ging, indem 
ich noch manchen tüchtigen Hieb austeilte. 
Endlich hatten die Franzosen doch so lange an mir herumgehauen, 
daß sie mich vom Pferde herunterkriegten und ich besinnungslos an 
einen Stein vor einem Hause hinstürzte. Sie hatten mir zwei schwere 
Hiebe über den Kopf,, einen Hieb ins Gesäß, einen Stich in den linken 
Arm beigebracht und dazu drei Finger von der linken Hand beinahe 
abgehauen, sodaß sie nur noch an der Haut hingen; außerdem hatten 
sie mir auch einen Stich in den rechten Arm und einen durch den 
rechten Backen versetzt; der zweite Stich war glücklicherweise durch zwei 
Zähne, die er traf und ausbrach, aufgehalten worden, sonst wäre er 
bis in den Hals hineingegangen. In ihrer Wut darüber, daß sie 
geschlagen waren und fliehen mußten, und daß ich mich nicht hatte er¬ 
geben wollen, hatten sie mir auch da noch, als ich schon herunterge¬ 
stürzt war, vier Stiche in den Rücken versetzt, sodaß ich aus elf Wunden 
blutend dalag. 
Nachdem ich wohl über zwei Stunden ohne Besinnung geblieben 
war, erwachte ich endlich aus meiner Ohnmacht und fand mich in einem 
Hause, in das mich die französischen Einwohner getragen hatten. Um 
den furchtbaren Blutverlust zu stillen, hatten sie mich fortwährend mit 
Wasser begossen. Auch der Dorfgeistliche hatte sich eingefunden, und 
da er etwas deutsch konnte, sagte er mir, daß er einen Doktor suchen 
wolle, und ging auch wirklich zu diesem Zwecke fort. Doch war keiner 
zu haben, und so mußte ich ganz zufrieden fein, daß endlich unsere 
Sanitätssoldaten mich aufspürten und verbanden. Nachmittags kam 
Premierlieutenant Sturdza in das Haus, in dem ich lag, und da hörte 
ich denn, daß wir vollständig gesiegt hatten, und daß die Franzosen, so¬ 
weit sie nicht gefangen, tot oder verwundet, in die Flucht gejagt waren. 
Das machte mir trotz aller Schmerzen, und obgleich ich nicht glaubte, 
daß ich mit dem Leben davonkommen würde, große Freude. 
Nun wurde ein Wagen und Pferde herbeigeschafft und ich hinaus- 
Lesebuch für Realschulen. II. 9
	        
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