129
Ich selbst hatte mir unterdessen, schneller als sich dies alles erzählen
läßt, ein reiterloses französisches Pferd eingefangen und schwang mich
rasch in den Sattel. Da nun unsere Schwadron wieder gegen das Dorf
heransauste, so sprengte auch ich wieder aus die Franzosen ein und war
bald weit voraus; denn das französische Pferd wollte durchaus zu seinen
Kameraden und war nicht mehr aufzuhalten. So befand ich mich mit
einem Male mitten im Dorf und sah mich dicht von Franzosen umringt,
die von allen Seiten auf mich losgingen. Sie schrieen mir fortwährend
zu: „Pardon, Kamerad!" und deuteten mir an, ich solle den Säbel
wegwerfen und mich ergeben. Aber da hätte ich mir ja die Augen
aus dem Kopfe schämen müssen, wenn es nachher unter meinen Kameraden
geheißen hätte: „Der Reiter Mucke hat sich doch ergeben." Daher schrie
ich nur: „Nix da Pardon!" und wehrte mich, so gut es ging, indem
ich noch manchen tüchtigen Hieb austeilte.
Endlich hatten die Franzosen doch so lange an mir herumgehauen,
daß sie mich vom Pferde herunterkriegten und ich besinnungslos an
einen Stein vor einem Hause hinstürzte. Sie hatten mir zwei schwere
Hiebe über den Kopf,, einen Hieb ins Gesäß, einen Stich in den linken
Arm beigebracht und dazu drei Finger von der linken Hand beinahe
abgehauen, sodaß sie nur noch an der Haut hingen; außerdem hatten
sie mir auch einen Stich in den rechten Arm und einen durch den
rechten Backen versetzt; der zweite Stich war glücklicherweise durch zwei
Zähne, die er traf und ausbrach, aufgehalten worden, sonst wäre er
bis in den Hals hineingegangen. In ihrer Wut darüber, daß sie
geschlagen waren und fliehen mußten, und daß ich mich nicht hatte er¬
geben wollen, hatten sie mir auch da noch, als ich schon herunterge¬
stürzt war, vier Stiche in den Rücken versetzt, sodaß ich aus elf Wunden
blutend dalag.
Nachdem ich wohl über zwei Stunden ohne Besinnung geblieben
war, erwachte ich endlich aus meiner Ohnmacht und fand mich in einem
Hause, in das mich die französischen Einwohner getragen hatten. Um
den furchtbaren Blutverlust zu stillen, hatten sie mich fortwährend mit
Wasser begossen. Auch der Dorfgeistliche hatte sich eingefunden, und
da er etwas deutsch konnte, sagte er mir, daß er einen Doktor suchen
wolle, und ging auch wirklich zu diesem Zwecke fort. Doch war keiner
zu haben, und so mußte ich ganz zufrieden fein, daß endlich unsere
Sanitätssoldaten mich aufspürten und verbanden. Nachmittags kam
Premierlieutenant Sturdza in das Haus, in dem ich lag, und da hörte
ich denn, daß wir vollständig gesiegt hatten, und daß die Franzosen, so¬
weit sie nicht gefangen, tot oder verwundet, in die Flucht gejagt waren.
Das machte mir trotz aller Schmerzen, und obgleich ich nicht glaubte,
daß ich mit dem Leben davonkommen würde, große Freude.
Nun wurde ein Wagen und Pferde herbeigeschafft und ich hinaus-
Lesebuch für Realschulen. II. 9