Full text: [Band 5 = Klasse 5, 6. Schuljahr, [Schülerband]] (Band 5 = Klasse 5, 6. Schuljahr, [Schülerband])

8. Da macht sich's Bäumlein auf und kommt im vollen Lauf 
zum Wald zurückgelaufen und will sich stelln in den Haufen, 's fragt 
gleich beim ersten Baum: „Hast du keinen Raum?" Der sagt: „Ich 
habe keinen!" Da fragt das Bäumlein noch einen, der hat wieder 
keinen; da fragt das Bäumlein noch einen, es fragt von Baum zu 
Baum, aber kein einz'ger hat Raum. Sie standen schon im Sommer 
eng in ihrer Kammer; jetzt im kalten Winter stehn sie noch enger 
dahinter. Den: Bäumchen kann nichts frommen, es kann nidjt unter¬ 
kommen. 
9. Da geht es traurig weiter und friert, denn es hat keine Kleider; 
da kommt mittlerweile ein Mann mit einem Beile, der reibt die Hände 
sehr, tut auch, als ob's ihn frör'. Da denkt das Bäumlein wacker: 
das ist ein Holzhacker, der kann den besten Trost mir geben für 
meinen Frost. 
10. Das Bäumlein spricht schnell zum Holzhacker: „Gesell, dich 
friert's so sehr wie mich und mich so sehr wie dich. Vielleicht kannst 
du mir helfen und ich dir! Komm, hau' mich um und trag mich in 
deine Stub'n, schür' ein Feuer an und leg' mich dran; so wärmst 
du mich und ich dich. 
11. Das deucht dem Holzhacker nicht schlecht; er nimmt sein Beil 
zurecht, haut's Bäumlein in die Wurzel, umfällt's mit Gepurzel. 
Nun hackt er's klein und kraus und trägt das Holz nach Haus und 
legt von Zeit zu Zeit in den Ofen ein Scheit. 
12. Das größte Scheit von allen ist uns fürs Haus gefallen; 
das soll die Magd uns holen, so legen wir's auf die Kohlen; das 
soll die ganzen Wochen uns unsre Suppen kochen. 
13. Oder willst du lieber Brei? Das ist mir einerlei. 
47. Die künstliche Orgel. 
Von Richard von Volkmann-Leander. 
I^or langen, langen Jahren lebte einmal ein sehr geschickter junger 
** Orgelbauer, der hatte schon viele Orgeln gebaut, und die letzte 
war immer wieder besser als die vorhergehende. Zuletzt machte er 
eine Orgel, die war so künstlich, daß sie von selbst zu spielen anfing, 
wenn ein Brautpaar in die Kirche trat, an dein Gott sein Wohlgefallen 
hatte. Als er auch diese Orgel vollendet hatte, besah er sich die Mädchen 
des Landes, wählte sich die Frömmste uitb Schönste und ließ seine 
eigne Hochzeit zurichten. Wie er aber mit der Braut über die Kirch- 
schwelle trat und Freunde und Verwandte in langem Zuge folgten, 
jeder einen Strauß in der Hand oder im Knopfloch, war sein Herz 
voll Stolz und Ehrgeiz. Er dachte nicht an seine Braut und nicht 
an Gott, sondern nur daran, was für ein geschickter Meister er sei,
	        
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