Full text: Anhang zum 1. Band de[s] Lesebuch[s] für Latein- und Realschulen (Band 1, Anhang, [Schülerband])

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auf seiner Stirn, deren Weiße gegen das übrige, braun verbrannte Gesicht 
grell abstach. Eben wollten dem Ermatteten die Augen zufallen, da ging 
plötzlich ein starker Zug durch das Zimmer, der vom offenen Fenster kam 
und die lose umherliegenden Papiere vom Tische wehte. Die Wetterfahne 
kreischte, die Schwalben flogen niedrig mit schwirrendem Geschrei hin und 
her-. „Aha," sagte Ferdinand, indem er sich aufraffte, „am Ende wird's 
was!" Bald danach rollte der erste Donner, und nach kurzem zuckte durch 
das jetzt verdüsterte Tageslicht der blendende Schein des Blitzes, der vorhin 
noch nicht zu scheu war. 
Das Blöken der Schafe ließ sich eine Weile später hören, immer 
^auter und näher klingend. „Wenn der Schäfer eintreibt, das ist untrüg¬ 
licher als alles andere." Der Schäfer, den Stab in der Hand, ging 
voraus; umschwärmt von seinem treuen Hunde folgte die Herde. Die 
Tiere schienen furchtsain und drängten wirr durcheinander in den Stall 
unter Dach und Fach; es bedurfte umsichtiger Leitung, daß keine Unord¬ 
nung entstand. Wiederum fuhr ein Wirbelwind daher und jagte eine 
Staubwolke auf, Thüren und Fensterläden wurden klappend zugeworfen. 
Nun kamen auch die Schweine zurück, hurtig in kurzem Galopp, sie hatten 
die höchste Eile; die Gefahr eines drohenden Regenbades schien für ihren 
Reinlichkeitssinn etwas Beängstigendes zu haben. Es wurde dunkler und 
dunkler. Abermals Blitz und Donner, und nun fing es auf dem leichten 
Dache der Vorhalle zu klappern an, nicht sehr laut, etwa so, als wenn 
noch weiche grüne Erbsen draufschlügen. Doch dem Ohr des Landmannes 
klang es lieblicher als die schönste Musik — die ersten Tropfen sielen. 
Bald wurde das Klappern zum Rauschen. Die lange entbehrte Feuchtig¬ 
keit hauchte eine köstliche Frische aus, selbst der Geruch des gelöschten 
Staubes war angenehm, unwillkürlich atmete jede Brust tiefer auf. Auch 
in bem Blechrohr der Dachrinne gluckerte es jetzt und zwar mit so über¬ 
stürzender Hast, als verschluckte sie sich im ersten Eifer. 
Ferdinand stand am Fenster und blickte voll Freude hinaus. „Jetzt 
kommt es ordentlich!" Es goß wie aus der Brause; er öffnete das 
Fenster und rief den Knecht an, der mit einem einspännigen Karren an¬ 
gejagt kam. Der hielt auch sofort still, obwohl er für seine Person eben¬ 
so gern weitergefahren wäre und noch ein paar Fäden am Leibe trocken in 
den Stall gebracht hätte. „Seid ihr fertig geworden?" „Noch gerade, 
wir schmissen eben die letzte Fuhre ab." „Es ist gut." Der Karren 
rasselte davon, und Ferdinand machte das Fenster wieder zu, erfreut, daß 
der abgelassene Weiher noch vorher bis auf den letzten Spatenstich aus¬ 
gemodert war. Indes hatten sich die Gewitterwolken verteilt, das Wetter, 
war vorübergezogen, und helles Grau bedeckte den Himmel. Aber der 
Regen hörte nicht auf, und die Landlente lobten ihn und erklärten: „Das 
ist das reine Gold, was jetzt vom Himmel herabfällt; es ist der richtige 
Landregen."
	        
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