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des Kegels selbst, welcher mit dichtem Hochwald von Buchen und Eichen
besetzt war. Aber nun begann das Steigen auf dem alten, schmalen
Burgwege, der sich in manchen Krümmungen durch Bäume und Felsblöcke
zum Gipfel emporwindet. Je höher wir kamen, desto mühsamer, steiniger
und schattenloser erschien der Pfad; denn die Bäume wurden hier spärlicher
und kümmerlicher, jähe Felsenmassen türmten sich hoch empor, und herab¬
gestürzte Trümmer der alten Feste lagen unregelmäßig über einander.
Dann ging es auf einmal mitten durch eine riesige Felsschicht, eine Art
von Tunnel, den die Natur wohl selbst gebildet, und in wenigen Augen¬
blicken hatten wir die meistens noch wohlerhaltenen Ringmauern dicht vor
uns. Sie erhoben sich auf einem mächtigen Felsrücken, von dem uns
eine tiefe, teilweise mit Schutt und altem Mauerwerk angefüllte Schlucht
trennte. Gewaltige Ahorn- und Fichtenstämme ragten hier und dort
daraus empor und gaben Zeugnis von dem hohen Alter der ehrwürdigen
Ruine. Durch einen stattlichen Thorturm mit vorspringendem Erker ge¬
langten wir auf die zertrümmerte Fallbrücke; einige starke, aus die zer¬
rissenen Pfeilerstümpfe gelegte Eichenbalken vermittelten den Übergang in
den Burghof, einen großen, flachen Felsgipsel. der von der Natur selbst
gepflastert ist, denn breite, stahlharte Steinplatten ragen überall hervor.
Dem Eingänge gegenüber erhebt sich die eigentliche Burg, ein riesiges
Gebäude mit vier gewaltigen Ecktürmen, welche bis auf das Dach noch
stehen und unten mit Ephen und anderen Rankengewächsen bedeckt sind.
Das Burgverlies, die Küche, die geräumigen, gewölbten Rittersäle und
andere Gemächer sind noch deutlich zu erkennen. Auf einer wohlerhaltenen,
steinernen Treppe innerhalb der dicken Mauer bestiegen wir einen der
Türme und kamen von hier auf die ringsum führende Galerie, auf der
sonst stolze Ritter auf- und abschritten. Eine weite, unbegrenzte Aussicht
eröffnete sich hier über die nahen Berge, Thäler und Schluchten hinweg
in die große, unabsehbare Niederung mit ihrem glänzenden Strome, ihren
prächtigen Gefilden und schimmernden Ortschaften. An den drei andern Seiten
blickte man in tiefe, schaudervolle Abgründe hinab, aus denen scharfe Fels¬
spitzen drohend emporragten. Aber auf der Zinne, wie auch in einzelnen
Fensteröffnungen hatte sich dichtes Busch- und Strauchwerk angesiedelt, und
selbst kleinere Baumgewächse waren aus den tieferen Mauerrissen empor¬
geschossen. So bildet hier die lebendig fortwirkende Natur einen ernsten
Gegensatz zu den Spuren verschwundener menschlicher Größe und Herrlichkeit.
Äm Aordrnnd der schwäbischen Älb.
Von August Trinius.
Über alle Maßen schön ist der Ausblick von den Felsriffen
der nordwestlichen Abdachung der schwäbischen Alb. Jenseits des Neckar¬
thales lagert in wuchtigen Massen der bläulich schimmernde Schwarzwald,
seitlich dahinter tauchen die fernen Höhenzüge des Odenwalds auf, während