202 Aus der Weltgeschichte.
Pipin stieg, ohne ein Wort zu erwidern, war nur kurz. Selbst des Nachts stand
von seinem Thronsessel herab und trat in er mehrmals von seinem Lager auf, nahm
die Schranken. Er zog sein mächtiges Schreibtafel und Griffel, um sich in der
Schwert aus der Scheide und trennte mit in seiner Jugend versäumten Schreibkunst
einem Streiche den Nacken des Löwen von zu üben, oder er betete, oder stellte sich
seinen Schultern, und auf einen zweiten ans Fenster und betrachtete mit Ehrfurcht
Streich lag auch der Kopf des Stieres im und Bewunderung den gestirnten Himmel.
Sande. Dann steckte er sein Schwert Eine so einfache Lebensweise erhöhte die
wieder in die Scheide, schritt ruhig zu ohnehin so gewaltige Körperkraft dieses
dem Thronsessel zurück und setzte sich dar· Mannes, so daß man seinen Geschicht—
auf. Hierauf wandte er sich zu den um- schreibern wohl glauben darf, wenn sie er—
gebenden Höflingen mit den Worten: zählen, wie er mit leichter Mühe ein Huf—
„Scheint es euch nun doch wohl, daß ich eisen brach oder einen geharnischten Mann
euer König sein kann?“ Sie aber senkten emporhob wie ein Kind oder mit seinem
beschämt ihre Blicke zur Erde, und hinfort gewaltigen Schlachtschwerte einem Feinde
wagte keiner mehr, über die Gestalt des den Kopf bis in die Tiefe spaltete und
Frankenkönigs zu spotten. Klopp. Lasten hob, die ein gewöhnlicher Mann
jetziger Zeit nicht von der Stelle rücken
könnte.
Seine Kleidung war nach deutscher Art
83. Karl der Große. einfach. Er trug Gewänder, von der flei—
Karl der Große, der mächtige Beherrscher ßigen Hand seiner Gemahlin verfertigt,
des Frankenreiches (768 bis 814 n. Chr.), Strümpfe und leinene Beinkleider, mit far—
war ein echt deutscher Mann, von starkem bigen Bändern kreuzweise umwunden, ein
Körperbau und schlanker Gestalt. Er hatte leinenes Wams und darüber einen einfachen
eine hohe, klare Stirn und überaus große, Rock mit seidenem Saume, seltener einen
lebendige Augen, die dem Freunde und viereckigen Mantel von weißer oder grüner
Hilfebittenden huldreich, dem Feinde aber Farbe; aber stets hing ein großes Schwert
furchtbar leuchteten. In früher Jugend mit goldenem Griff und Wehrgehänge an
hatte er nach Frankenart seine Körperkraft seiner Seite. Nur an Reichstagen und
geübt und war der beste Fechter und hohen Festen erschien er in voller Majestät
Schwimmer geworden. Eines seiner Haupt- mit einer goldenen, von Diamanten strah—
vergnügen war die Jagd, und wenn er lenden Krone auf dem Haupte, angethan
seinem Hofe ein Fest bereiten wollte, wurde mit einem lang herabhangenden Talar,
eine Treibjagd angestellt. Alles setzte sich mit goldenen Bienen besetzt. Welter.
zu Pferde, und dann ging es unter dem
Klange der Hörner und dem Gebell un—
ähliger Hunde in lärmendem Jubel hin— so
n * V ene eeeeee, 84. Karls des Großen Einrichtungen.
Blüte des Adels sich dann durch Mut Karl der Große wollte kein bloßer Er—
und Geschicklichkeit einander zu übertreffen oberer sein; sein Streben war auf etwas
suchte. Karl, mitten unter ihnen, bestand Höheres und Edleres gerichtet. Die er als
manchen heißen Kampf mit Ebern, Bären Held mit dem Schwerte unterworfen hatte,
und Auerochsen. Im Essen und Trinken die wollte er als Vater mit Liebe beglücken.
war er sehr mäßig. Speiste er mit den Unablässig war er bemüht, seine Völker
Seinigen allein, so kamen nur vier Schüs- aufzuklären, sie weiser und besser zu machen.
seln auf den Tisch. Ein Wildbretbraten, Die gelehrtesten Männer seiner Zeit lebten
vom Jäger am Spieße zur Tafel gebracht, an seinem Hofe und genossen seiner Ach—
war sein Lieblingsgericht. Sein Schlaf tung und Freundschaft. Mit ihrer Hilfe
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