Full text: Deutsches Lesebuch für die unteren Klassen höherer Lehranstalten

Einzelne Züge aus dem Leben deutscher Fürsten. 9 
kaufen könnt. Wie hoch haltet Ihr Eure Soldat. Dreizehn Jahre. 
Mühle?“ Der Müller erwiderte: „Gnä- König. Wie alt bist du denn? 
diger Herr, so habt Ihr auch nicht so viel Soldat. Neunzehn Jahre. 
Geld, daß Ihr mir meine Mühle abkaufen König. Und du willst schon dreizehn 
könnt; sie ist mir nicht feil.“ Der König Jahre gedient haben? Wie ist das mög— 
that zwar ein Gebot, auch das zweite und lich? 
dritte; aber der Nachbar blieb bei seineer Soldat. Ja, fünf Jahre habe ich als 
Rede: „Sie ist mir nicht feil. Wie ich Gänsejunge, hernach sechs Jahre als Ochsen⸗ 
darin geboren bin,“ sagte er, „so will ich junge gedient, und daun bin ich vor zwei 
darin sterben; und wie sie mir von meinem Jahren unter das Volk gekommen. 
Vater erhalten worden ist, sollen sie meine Der König lächelte über die unbefangene 
Nachkommen von mir erhalten und auf Einfalt des Burschen, und da aus dessen 
ihr den Segen ihrer Vorfahren ererben.“ Tasche das Mundstück einer Tabakspfeife 
Da nahm der König eine ernsthaftere heraussah, so fragte er ihn: „WVarum 
Sprache an: „Wißt Ihr auch, guter Mann, rauchst du nicht?“ 
daß ich gar nicht nötig habe, viel Worte Soldat. Ich rauche wohl, aber unser 
zu machen? Ich lasse Eure Mühle taxieren Herr Hauptmann hat's verboten. 
und breche sie ab. Nehmt alsdann das König. Wenn du Appetit hast, so 
Geld, oder nehmt es nicht!“ Da lächelte stopfe dir immer eine Pfeife. 
der unerschrockene Mann, der Müller, und Soldat. Das darf ich nicht. 
erwiderte dem König: „Gut gesagt, Aller König. Thu's nur auf meine Ver— 
gnädigster Herr, wenn nur das Kammer- antwortung. 
gericht in Berlin nicht wäre!“ Nämlich, Soldal. Es geht nicht. 
daß er es wolle auf einen richterlichen Aus- König. Weißt du denn nicht, wer ich 
spruch ankommen lassen. Der König war bin? 
ein gerechter Herr und konnte überaus Soldat. J, wie sollt' ich das nicht 
gnädig sein, also daß ihm die Herzhaftig- wissen? Er ist der König. 
keit und Freimütigkeit einer Rede nicht König. Nun, ich erlaube es dir. 
mißfällig war, sondern wohlgefiel. Denn Soldät. Das ist schon gut; aber der 
er ließ von dieser Zeit an den Müller un- Herr Hauptmann will's doch nicht haben. 
angefochten und unterhielt fortwährend mit Den König belustigte diese Unterredung, 
ihm eine friedliche Nachbarschaft. Der ge- und er bestand darauf, daß der Bursche 
neigte Leser aber darf schon ein wenig seine Pfeife aus der Tasche nehmen, sie 
Respekt haben vor einem solchen Nachbar stopfen, sich Feuer anschlagen und rauchen 
und noch mehr vor einem solchen Herrn mußte. „Nicht wahr, im Freien schmeckt 
Nachbar. Hebel. ein Pfeifchen am besten?“ sagte der König 
und setzte nun seinen Weg fort bis zur 
; ; zuiga Lagerwache. Der dort stehende Soldat 
89. Die Schildwache und der Ahnig rief: „Heraus!“ Die Wache trat ins Ge— 
Bei einer Revue um Stargard in Pom- wehr, und der König naͤherte sich dem 
mern ging Friedrich der Große eines wachhabenden Offizier mit den Worten: 
Abends in das Lager der dort bivouakie- „Dort oben am Eingange des Lagers 
renden? Truppen. Gleich beim Eintritt hab' ich eine Schildwache mit der brennen— 
in dasselbe fiel ihm ein sehr junger Soldat den Pfeife im Munde gesehen; man lasse 
auf, der Schildwache stand. Er näherte den Burschen sogleich abloͤsen und herbrin— 
sich ihm und fragte: „Wie lange hast du gen!“ 
gedient?“ Es geschah. Der Arrestant wurde vor— 
geführt, und der Offizier fuhr ihn mit 
* biwakierenden. barschem Tone an: „Wie hat Er sich unter— 
Viehoff, Lesebuch für untere Klassen. 4 
26
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.