Full text: Deutsches Lesebuch für die unteren Klassen höherer Lehranstalten

214 Einzelne Züge aus dem Leben deutscher Fürsten. 
kennst,“ sagte Karl August sehr ruhig, „so der Thür: „Ist Hage da?“ — „Ei ja,“ 
sage lieber gleich: ich weiß das nicht. Es schreit Heidenhaus, ohne sich vom Platze 
ist Protea speciosa.“ zu rühren, „geht mir zum Henker mitsamt 
Ein kleiner Knabe und sein Schwesterchen eurem Hage!“ Die Thür schließt sich 
ließen sich im Schloß im Nebenzimmer des wieder; aber diesmal war es wirklich der 
Großherzogs über die schönen Sachen plau- Großherzog, der sich nun nach der Diener— 
dernd vernehmen und traten, sich weiter stube wandte: „Geh' einer von euch, Hage 
umsehend, in sein Gemach. „Wer seid ihr zu holen! denn Heidenhaus ist toll ge— 
denn?“ — „Wir sind vom Okonom K.“ macht.“ Kaum war der Fürst wieder auf 
— „So, draußen von Bärenfrieden; was seinem Zimmer, so fielen die Kameraden 
macht ihr denn im Schlosse?“ — „Wir über Heidenhaus her: „Mensch! was soll 
haben Butter und Rahm in die Küche ge- mit dir werden? Eine solche Rede dem 
bracht und sehen uns jetzt die schönen Großherzog zu geben!“ — „Wohl gar 
Zimmer an.“ — Der Großherzog klingelte: dem Großherzog!“ versetzte Heidenhaus; 
„Etwas aus der Konditorei für die Klei? glaubt ihr, ich bin euer Affe? Der M. 
nen!“ Da die Kinder von dem Teller ist der Unverschämte, und ihr dazu, nicht 
Konfekt sich jedes nur ein Stückchen nah- ich.“ — Wie er nun aber den wahren 
men, drehte er selbst eine Düte für das gergang von ihnen hört, ballt er die Faust 
Übrige und entließ sie damit. gegen sie und gegen sich; und er blieb in 
Der Kammerlakai Heidenhaus, der den Unruhe bis zum andern Tage, wo er, dem 
Dienst hat, sitzt im Vorzimmer und weil Großherzog nahend, Miene machte, einen 
er des Großherzogs Nähe nicht bald zu er- Fußfall zu thun. „Na, laß nur,“ sagte 
warten hat, vertieft er sich in die Zeitung. Karl August, „haben sie mich wieder ein— 
Da läßt sich aus halbgeöffneter Thür die mal nachgemacht?“ 
Stimme des Großherzogs hören: „Ist Hage Ein Hofstallbedienter war abgeschickt, sechs 
der Privatsekretär) schon da?“ Heidenhaus Pferde aus Allstedt nach Weimar zu bringen, 
ruft aufspringend: „Noch nicht, Königliche mit dem gemessenen Befehl, nicht durch die 
Hoheit!“ Indes ist die Thür wieder zu- Unstrut zu reiten. Er kommt an die Un— 
gezogen und Heidenhaus kehrt auf seinen strut, bedenkt den langen Umweg, sie scheint 
Sitz zur Zeitung zurück. Es kommt ihm ihm nicht groß, er wagt sich mit seinem 
zwar vor, als werde in der Nebenstube Zuge hinein, und alle sechs Pferde ertrinken; 
durcheinander getuscht und gekichert; aber, er selbst rettet sich mit genauer Not ans 
hingenommen von den neuesten Weltbe- Land. Als dem Fürsten der Untergang 
gebenheiten, beachtet er es nicht und rückt der sechs schönen Tiere mit der ausdrück— 
ruhig weiter vor in den Zeitungsartikeln, lichen Berufung gemeldet wird, wie streng 
als abermals die Thür sich ein wenig öffnet dem Schuldigen das Reiten durch die Unstrut 
und des Herrn Stimme wieder ertönt: untersagt worden, läßt er nur die Frage 
„Ist jetzt Hage da?“ Heidenhaus ist wie- hören: „Aber der Kerl lebt?“ 
der aufgesprungen mit der vorigen Ant- Im Jahre 1816 beim Besuche des neuen 
wort, da bricht nebenan ein schallendes Landesteils bemerkte auf den Jagden im 
Gelächter aus, und jetzt weiß er, daß er von Neustädter Kreise der Großherzog einen 
dem geheimen Kanzleiboten M., der die alten Jäger im grauen Kitiel und Leder— 
Stimme des Großherzogs täuschend nach- gamaschen, der eine unscheinbare aber gute 
ahmen kann, zur Belustigung seiner Ka- Flinte führte und an der Elster, auf dem 
meraden gefoppt ist. Er will ihren Spaß Frießnitzer See, überall mit dabei war. 
nicht verlängern, setzt sich wieder und liest Es war der Holzmacher und Kreiser Lucke 
desto eifriger fort; aber er soll keine Ruhe von Lichtenau ein thätiger, mit dem Wald— 
haben; denn kaum hat er sich etwas er- und Weidwesen von jungen Jahren her 
holt, so ruft es zum drittenmal zwischen vertrauter Mann, den die Holzdiebe scheuten,
	        
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