Aus der Länder⸗ und Völkerkunde.
ein derber Bursche. Kegel schiebt er nur lichen Latz an. Die Oberinnthalerin da⸗
mit gewaltigen Kuͤgeln, die er mit Leichtig- gegen trägt einen grünen Filz- oder gelben
keit handhabt; dabei ist er Meister in Strohhut, ein grünes Leibchen, weiße Hemd⸗
Hosenrecken und Hackeln, wobei einer den ärmel, und dem schwarzen Stutzen fügt sie
andern am Mittelfinger faßt und an sich ein zierlich geknüpftes schwarzes Halstuch
zu ziehen sucht, so wie im Scheibenschießen. und blaue oder rote Strümpfe bei.
Im Unterinnthale und Zillerthale sind die Solche Gestalten, inmitten der Riesen—
Robler oder Raufer zu Hause. Mit einem häupter der Alpen, prächtiger Thäler,
gellenden Schrei, den er ins Gebirge sendet, Wasserfälle und Schneefelder, lieblicher
fordert der Robler seine unbekannten Gegner Dörfer und Städtchen, stattlicher Klöster
auf, welche den Schrei erwidern und den und Burgen, machen auf das Auge des
Herausforderer aufsuchen. Bald stehen die Wanderers einen höchst wohlthuenden
kräftigen Männer einander gegenüber, den Eindruck. Kutzner.
Stoßring von Eisen und Silber mit dem ——
großen Knopf um die Faust geschlungen;
ihauer haben sich eindeunden, welche 136. Der Rheinfall bei Schaffhausen.
die Rolle der Kampfrichter spielen. Jetzt Der Herr ist groß und herrlich in seinen
beginnt der Kampf: Schlag folgt auf Werken; wer ihrer achtet, hat eitel Lust
Schlag; es dröhnt, als muͤßten Arme und daran. Die Berge verkündigen seinen
Brust zerschmettert sein. Aber die gewandten Ruhm, die Ströme rauschen von seiner
Fechter wissen den Schlag zu schwächen, Ehre, die Lilie des Feldes, die Blume des
aufzufangen; und erst nach langer An- Thales predigt seinen Namen.
strengung und vielem Blutverlust erklärt Wie schön ist der Züricher See, von
sich der eine für besiegt, worauf ihm der grünen Hügeln umgeben, auf denen hie
Sieger die Feder vom Hute nimmt. Wer und da freundliche Landhäuser stehen, die
drei Federn am Hute trägt, erklärt damit, sich in der klaren Flut spiegeln; wie maje⸗
daß er es mit jedem Gegner aufnimmt, stätisch ragen im Hintergrunde die mit
Eine anziehende Erscheinung ist der ewigem Schnee und Eis bedeckten Fels—
tanzende Tiroler. Jauchzend, stampfend kuppen und Berge empor, um deren Häupter
und klatschend dreht und kreiselt er sich die Wolke des Himmels sich lagert! Ich
mit künstlerischer Fertigkeit um seine Taͤn- hatte in der Frühe Zürich verlassen, war
zerin. Seine dichterische Anlage offenbart über die hölzerne Rheinbrücke bei Eglisau
er durch Gaßlreime, Trutzliedl und Märchen- gegangen und näherte mich nachmittags
erfindung, seinen Kunstsinn durch Aus- dem Dorfe Laufen. Lange vorher, ehe ich
schmückung des Hauses mit zierlichem es erreichte, führte der Wind ein dumpfes
Schnitzwerk und buntem Anstrich. Seine Brausen an mein Ohr, das stärker wurde,
Tracht ist nach den Orten verschieden, aber je mehr ich mich dem Dorfe näherte.
allenthalben malerisch. Der Innthaler Endlich stand ich vor dem Rheinfall, be—
trägt kurze dunkle Lederhosen und Strümpfe, wundernd und die Allmacht des Höchsten
welche das Knie bloß lassen; ein breiter preisend. Eine ungeheure Wassermasse
Gürlel umfaßt seine Taille, breite Hosen- stürzt sechzig Fuß hoch über einen Felsen—
träger kreuzen sich über dem roten Brust- damm, zwischen einzelnen Felsenmassen
lat, und zur kurzen Jacke paßt der große schäumend und brausend und eine Wolke
runde, mit breiten Bändern geschmückte von Dampf aussprühend, in die sprudelnde
Hut. Auch die Tracht der Frauen ist ver- Tiefe. Es hat etwas Sinnbetäubendes,
schieden, aber ebenfalls schön. Die Unter- das unaufhörliche Sprühen, Dampfen und
nnthalerin z. B. schmückt ihr frisches Ge- Stürzen, das ohne Ende sich drängende
sicht mit einem hohen spitzen Hute und Fluten und Zerstäuben der Gewässer zu
legt über dem kurzen Faltenrock einen statt- sehen, das unaufhörliche Brausen und
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