Scherzhafte und satirische Erzählungen.
Wand- niet- und nagelfest nicht war. Die Gassen wimmelten von Millionen
Mit Brummen überstieg das Sänftenträger— Seelen;
paar Man hebt die Fenster aus, man deckt die
Die vor der Thür gehäuften Trümmer. Dächer ab;
Man öffnet jetzt das kleine Haus Denn alles will den grünen Esel sehn,
Und denkt, Herr Till wird flink heraus, Und alle konnten doch nicht mit dem Esel
Trotz einem jungen Böcklein, springen: gehn.
70 Doch welch ein Schreck! — Er liegt darin Man lief die beiden ersten Tage
Bewegungslos und ohne Sinn, Dem Esel mit Bewundrung nach.
Als sollte man für ihn die Totenmesse singen. Der Kranke selbst vergaß der Krankheit Plage,
Man spritzt ihm Wasser ins Gesicht, Wenn man vom grünen Esel sprach.
Man heult und schreit ihm in die Ohren: Die Kinder in den Schlaf zu bringen,
Vergebens! Er ermannt sich nicht, 20 Sang keine Wärterin mehr von dem
Und scheint für diese Welt verloren. schwarzen Schaf:
Allein nach kurzem Zeitverlauf Vom grünen Esel hört man singen,
Schlug er, geweckt durch steigendes Ge- Und so gerät das Kind in Schlaf.
tümmel, Drei Tage waren kaum vergangen,
Die Augen mählich wieder auf, So war es um den Wert des armen Tiers
80 Und seine Gattin rief: „O tausend Dank geschehn.
dem Himmel! Das Volk bezeigte kein Verlangen,
Ha! Männchen,“ fuhr sie fort, „ward dir Den grünen Esel mehr zu sehn.
vor Freude schwül? Und so bewundernswert er anfangs allen
Ja, ja, das große Los ist traun kein Pappen⸗ schien,
stiel! So dacht' jetzt doch kein Mensch mit einer
Doch hätt' ich dich darüber in der Blüte Silb' an ihn. —
Des Lebens eingebüßt (davor mich Gott Ein Ding mag noch so närrisch sein,
behüte!), 30 Es sei nur neu, so nimmt's den Pöbelein;
So wär' die Lotterie dennoch ein böses Er sieht und er erstaunt. Kein Kluger darf
Spiel.“ — ihm wehren.
„Das ist sie!“ sprach er matt. „Ich fiel Drauf kommt die Zeit und denkt an ihre
In Ohnmacht über — uns're Niete.“ — Pflicht;
Langbein. Denn sie versteht die Kunst, die Narren zu
bekehren,
34. Der grüne Esel. Sie mögen wollen oder nicht. Gellert.
Wie oft weiß nicht ein Narr durch thö— —
richt Unternehmen ;
Viel tausend Thoren zu beschämen! 35. Die seltsamen Menschen.
Neran, ein kluger Narr, färbt einen Esel Ein Mann, der in der Welt sich trefflich
grün, umgesehn,
Am Leibe grün, rot an den Beinen, Kam endlich heim von seiner Reise.
Fängt an, mit ihm die Gassen durchzuziehn. Die Freunde liefen scharenweise
Er zieht, und jung und alt erscheinen. Und grüßten ihren Freund; so pflegt es zu
„Welch Wunder!“ rief die ganze Stadt, geschehn;
„Ein Esel, zeisiggrün, der rote Füße hat! Da hieß es allemal: „Uns freut von ganzer
Das muß die Chronik einst den Enkeln Seele,
noch erzählen, Dich hier zu sehn, und nun — erzähle!“
10 Was es zu uns'rer Zeit für Wunder- Was ward da nicht erzählt! — „Hört,“ sprach
dinge gab.“ er einst, „ihr wißt,