Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

49 
Ländern der Welt und bewunderten die Pracht und den Reichtum des 
Königs. So kam auch unter andern der Athener Solon nach Sardes, 
welcher seinen Mitbürgern weise Gesetze gegeben hatte itub nun viele 
Jahre auf Reisen ging, um die Welt zu sehen. Wie er nun ankam, be¬ 
wirtete ihn Krösos freundschaftlich auf der königlichen Burg. Sodann, 
am dritten oder vierten Tage, führten die Diener auf Krösos' Geheiß 
den Solon in allen Schatzkammern umher und zeigten ihm alle Herrlich¬ 
keiten; und da er alles gesehen und ganz nach seinem Gefallen beschaut 
hatte, fragte ihn Krösos also: „Mein Freund von Athen, man hat uns 
schon so viel von dir erzählt, von deiner Weisheit und deiner Wanderung, 
und wie du, die Welt zu sehen, voll Wißbegierde umhergereist bist. Nun 
hab' ich groß Verlangen, dich zu fragen, wen du von allen Menschen, 
die du kennst, für den glücklichsten hältst." 
Also fragte er in der Meinung, daß er selbst der glücklichste wäre. 
Solon aber schmeichelte gar nicht, sondern redete die Wahrheit und sprach: 
„Mein König, den Tellos von Athen." Das nahm den Krösos wunder, 
und er fragte voll Eifers: „Und warum hältst du denn den Tellos für 
den glücklichsten Menschen?" Und Solon sprach: „Zum ersten, so hatte 
Tellos, bei dem blühendsten Zustande der Stadt, edle und vortreffliche 
Söhne, die alle wieder Kinder hatten, und die waren alle am Leben; 
lutb zum andern, da er nach unsern Verhältnissen ein glückliches Leben 
geführt, so kam noch dazu ein glänzendes Ende. Denn als die Athener 
wider ihre Nachbarn in Eleusis stritten, so zog auch Tellos mit hinaus 
und schlug die Feinde in die Flucht und starb den schönsten Tod. Und 
die Athener bestatteten ihn auf öffentliche Kosten an demselbigen Orte, da 
er gefallen war, und erwiesen ihm große Ehre." 
Als nun Solon soviel von Tellos' großer Glückseligkeit erzählte, 
ward Krösos immer begieriger und fragte, wer denn der zweite wäre. 
Denn er glaubte, doch wenigstens die zweite Stelle zu erhalten. 
Solon aber sprach: „Kleobis und Biton von Argos. Denn diese 
hatten, soviel sie bedurften, und dazu besaßen sie eine große Leibesstärke, 
so daß beide zugleich den Kampfpreis davongetragen haben. Und dann 
erzählt man von ihnen folgende Geschichte: Die Argeier feierten ein Fest 
der Hera, und die Mutter der Jünglinge mußte durchaus nach dem Tempel 
fahren, aber die Rinder kamen nicht zur rechten Zeit vom Felde. Als 
nun die Stunde da war, spannten sich die beiden Jünglinge selber vor 
und zogen den Wagen, und auf dem Wagen saß ihre Mutter. So fuhren 
sie einen Weg von fünfundvierzig Stadien bis zu dem Tempel; also thaten 
sie, und die ganze Versammlung war Zeuge ihrer That. Und danach 
Gabriel u. Supprian, Lesebuch. D. 6. 4
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.