Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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der Schulter nach ihren Hütten zurück. Überall hörte man blökende Herden 
und singende Landleute und hier und da eine Hirtenpfeife, die den Widerhall 
der Berge zur Antwort aufforderte. Als aber die Sonne hinter die Berge 
sank, verstummte ein Geräusch nach dem andern, und eine tiefe Stille be¬ 
herrschte die Gegend. 
Der Vater saß auf dem Verdecke, hielt seine Lieben in den Armen 
und freute sich an der Schönheit des Abends. 
Schon hüllten sich die entfernten Gegenstände in Dunkelheit. Das 
Abendrot verflog; einzelne Sterne traten mit blassem Schimmer aus dem 
düstern Gewölle hervor und dann immer mehrere, bis endlich der ganze 
Himmel mit unzähligen Sternen bedeckt war. 
Die Kinder hatten öfters gehört, daß die meisten dieser Sterne 
Sonnen wären. Sie erinnerten sich jetzt daran; aber es kam ihnen un¬ 
glaublich vor, daß diese kleinen Punkte dem Körper gleich sein sollten, den 
sie soeben in einem überirdischen Glanze hatten leuchten sehen. 
Sie teilten dem Vater ihre Bemerkung mit und baten ihn um Erklärung 
der Schwierigkeit. Er erinnerte sie an die große Entfernung der Sterne, durch 
die ihr Licht geschwächt und ihre Größe den Augen vermindert werde. 
Sie thaten noch manche andere Frage über die Beschaffenheit des 
Weltgebäudes, die er ihnen zu einer andern Zeit zu beantworten versprach. 
Folgendes aber glaubte er ihrer Fassungskraft angemessen: 
„Ihr wißt," sagte er, „daß diese Erde eine ungeheure Kugel ist, deren 
Oberfläche aus Wasser und Erde besteht. Ihr Inneres kennen wir nicht. 
Diese Kugel bewegt sich ohn' Unterlaß in ungeheuren Kreisen um die Sonne 
her. Unablässig wird sie von der Sonne mit einer Art von magnetischer Kraft 
angezogen, und sie würde in dieselbe hineinstürzen, wenn sie nicht von einer 
andern Kraft unaufhörlich von der Sonne wegwärts getrieben würde. Diese 
beiden zu gleicher Zeit wirkenden Kräfte der Anziehung und der Abstoßung 
treiben sie in einer schräg-kreisförmigen Bahn um dieselbe her, die sie mit 
einer so außerordentlichen Geschwindigkeit durchläuft, daß sie in dem sechzigsten 
Teile einer Stunde einen Weg von zweihundertundvierzig Meilen zurücklegt. 
„So bewunderungswürdig diese Geschwindigkeit ist, so ist doch die, 
mit welcher die Sonne und die Sterne ihre Strahlen zu uns herabschicken, 
noch viel bewundernswürdiger. Die Sonne ist so weit von uns entfernt, 
daß man die Erde mehr als zehntausendmal aneinander setzen müßte, 
wenn man eine Brücke bis zu ihr bauen wollte. Denket euch die Brücke, 
die aus mehr als zehntausend Felsenstücken zusammengesetzt wäre, deren 
jedes eine Länge von mehr als siebzehnhundert deutschen Meilen hätte — 
denn so groß ist der Durchmesser der Erde! Gleichwohl braucht ein Licht¬ 
strahl von der Sonne zu seiner Reise bis zur Erde nicht mehr als eine 
halbe Viertelstunde Zeit.
	        
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