Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

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herausfloß. Der Schneider lachte, nahm seinen Käse und drückte ihn an 
den Fels. „Da sieh," rief er, „ich drücke, daß der Stein Milch giebt." 
Da kriegte der Riese gewaltigen Respekt und sagte: „Jetzt mache mir noch 
zum dritten und letzten Male das nach!" Und wie er das gesagt hatte, 
sprang er vom Waldthale auf den Felsen, auf welchem das Schloß stand, 
in einem Sprunge. Der Schneider aber war nicht faul, faßte flink einen 
Tannenwipfel, der durch den tappigen Riesenfuß zur Erde gebogen war, 
und siehe, ihn schleuderte die aufschnellende Tanne noch viel weiter hinauf, 
als der Riese gesprungen war. 
Da lud der Riese den Schneider zu sich und seinen Brüdern ein. 
Die speisten mit ihm und legten ihn nachts in ein Himmelbett. Der 
Schneider aber schlief nicht und hörte über sich durch eine Lücke flüstern: 
„Glaubt ihr, er schlafe?" Da sagte der Schneider: „Wartet, ihr Schlingel, 
ich will euch kommen, wenn ihr was Böses im Sinne habt." Doch hielt 
er es für geratener, unter den Ofen zu kriechen. Nach einer Weile flüsterte 
wieder einer: „Glaubt ihr, er schlafe?" „Ihr Spitzbuben," fuhr sie der 
Schneider an, „wollt ihr ruhig sein oder nicht?" Nach geraumer Zeit 
flüsterte dieselbe Stimme wieder: „Jetzt schläft er, denke ich." Jetzt gab 
der Schneider keine Antwort. Da ließen die drei Riesen einen Mühlstein 
auf das Bett herabfallen und dachten, nun müßte der Schneider tot sein. 
Da aber sprang der Schneider unter dem Ofen hervor und rief: „So, ihr 
Erzspitzbuben, jetzt will ich euch zeigen, wo Barthel den Most holt; gleich 
komme ich hinauf zu euch." Da sprangen die drei vor Schrecken zum 
Fenster hinaus und fielen sich tot. Der Schneider aber kehrte in die 
Stadt zurück und erzählte, wie er die drei ohne Umschweife zum Fenster 
hinausgeworfen habe. Der König kam mit seinen Leuten, und sie sahen 
des Helden Arbeit. Da gab ihm der König seine Tochter zur Frau, und 
die beiden waren glücklich bis an ihren seligen Tod. Birlinger. 
23. Der Arme und -er Reiche. 
I. 
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den 
Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends müde war und 
ihn die Nacht überfiel, ehe er zu einer Herberge kommen konnte. Nun 
standen auf dem Wege vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine 
groß und schön, das andere klein und ärmlich anzusehen, und das große 
gehörte einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte unser 
Herr Gott: Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will 
ich anklopfen. Als der Reiche an seiner Thür klopfen hörte, machte er
	        
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