Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

wiederkommt, wer das beste Meisterstück macht, der soll das Haus 
haben." 
Das waren die Söhne zufrieden, und der älteste wollte ein Huf¬ 
schmied, der zweite ein Barbier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. 
Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Hause zusammen¬ 
kommen wollten, und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen 
tüchtigen Meister fand, wo er etwas Rechtschaffenes lernte. Der Schmied 
mußte des Königs Pferde beschlagen und dachte: nun kann dir's nicht 
fehlen, du kriegst das Haus. Der Barbier rasierte lauter vornehme 
Herren und meinte auch, das Haus wäre schon sein. Der Fechtmeister 
kriegte manchen Hieb, biß aber die Zähne zusammen und ließ sich's nicht 
verdrießen; denn er dachte bei sich: fürchtest du dich vor einem Hiebe, so 
kriegst du das Haus nimmermehr. 
Als nun die festgesetzte Zeit herum war, kamen sie bei ihrem Vater 
wieder zusammen; sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegenheit 
finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und ratschlagten. 
Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Hase übers Feld daher gelaufen. 
„Ei," sagte der Barbier, „der kommt wie gerufen," nahm Becken und Seife, 
schäumte, bis der Hase in die Nähe kam; dann seifte er ihn im vollen 
Laufe ein und rasierte ihm auch im vollen Laufe ein Stutzbärtchen, und 
dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefüllt 
mir," sagte der Vater; „wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist 
das Haus dein." Es währte nicht lange, so kam ein Herr in einem 
Wagen dahergerannt in vollem Jagen. „Nun sollt Ihr sehen, Vater, 
was ich kann," sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem 
Pferd, das ohne Aufhören jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm 
auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl," sprach 
der Vater, „du machst deine Sachen so gut wie dein Bruder; ich weiß 
nicht, wem ich das Haus geben soll." Da sprach der dritte: „Vater, laßt 
mich auch einmal gewähren," und weil es anfing zu regnen, zog er seinen 
Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben über seinem Kopf, daß kein 
Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen stärker ward und endlich so 
stark, als ob man mit Mulden vom Himmel gösse, schwang er den Degen 
immer schneller und blieb so trocken, als säß er unter Dach und Fach. 
Wie der Vater das sah, erstaunte er und sprach: „Du hast das beste 
Meisterstück gemacht, das Haus ist dein." 
Die beiden andern Brüder waren damit zufrieden, wie sie vorher 
gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle 
zusammen im Haus und trieben ihr Handwerk; und da sie gut ausgelernt 
hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie 
vergnügt bis in ihr Alter zusammen, und als der eine krank ward und
	        
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