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und dazu schiffbare Flüsse. Darum wird auch Böhmen mit Recht
der schönste Diamant in Österreichs Krone genannt. Das Klima
bietet eine herrliche Mitte von Wärme und Kälte; nur in den Hoch¬
flächen und Gebirgslandschaften ist es rauh. Der hohe Wall des
Erzgebirges, wie der noch höhere der Sudetenkette, schützt das
anliegende tiefere Land vor den Nord- und Ostwinden. Da, wo die
Moldau in die Elbe tritt, in der reizenden Gegend von Melnik,
gedeihen seit Jahrhunderten Burgunderreben auf das Beste.
Unter den österreichischen Landestheilen steht auch Böhmens Gew erb -.
fleiß unbedingt obenan. Leinenwaaren werden für die Ausfuhr
im Großen ausschließlich in Böhmen (am Riesengebirge) verfertigt,
über eine Million Stück jährlich, und die „Rumburger" Leinwand ist
auch in der nicht böhmischen Frauenwelt rühmlichst bekannt. Spitzen¬
garn wird von solcher Feinheit gesponnen, daß ein Faden von 16,000
böhmischen Ellen Länge nur 1J/2 Loth wiegt. Auch die Wollen-
und Baumwollenspinnereien kommen jetzt mehr und mehr in
Schwung. In der Glasfabrikation aber behauptet Böhmen seit
Langem entschieden den Vorrang; man rechnet 75 Glashütten und 22
Glasschleifereien.
Wie im Lande, so zeigt sich auch im Charakter des Böhmen noch
mannigfach eine gewisie Natürlichkeit. Ein hervorstechender Zug im
Charakter des ganzen böhmischen Volkes ist jene unterthänige Höflichkeit.
Wenn der Preuße einfach „guten Morgen" sagt, so spricht schon der
Sachse: „schönen guten Morgen", der Böhme aber kann es dabei
nicht bewenden lassen, und vollendet den Satz: „guten Morgen wünsch'
ich", „guten Abend wünsch' ich"; damit indessen noch nicht zufrieden,
nennt er auch noch den gehorsamsten Diener und ein vollständiger
Nachtgruß lautet: „Gute Nacht wünsch' ich, Ihr gehorsamster Diener,
schlafen Sie wohl!"
Die Bevölkerung Böhmens besteht aus zwei grundverschiedenen
Nationen. Von den fünftehalb Millionen derselben sind 2,500,000
Czechen (Tschechen), der übrige Theil Deutsche.
Die Hauptstadt von Böhmen ist Prag, in einer hügeligen
Gegend, zum Theil auf Bergeshöhen erbaut an den malerischen
Ufern der Moldau. Prag ist eine altertümliche Stadt mit vielen
Palästen und Kirchen und merkwürdigen Erinnerungen aus der
Geschichte. Die dortige, im Jahre 1348 gegründete Universität
ist die älteste in Deutschland. An dieser Universität lehrte Johann
Huß, der ein Vorläufer Luthers war und für sein evangelisches
Bekenntniß in Konstanz auf dem Scheiterhaufen als Ketzer verbrannt
wurde (1415). In Prag nahm der blutige dreißigjährige Krieg
(1618) seinen Anfang.
28 c. Die Tyroler.
Die Tyroler sind ein schöner Schlag Menschen von gutem Wuchs
und großer Körperkraft; und man sieht hier noch Greise ohne alle Be-