Full text: Lesebuch für Sexta (Teil 1, [Schülerband])

könne niemand scheiden. Schon hoben sie die Schilde, da verlangte 
Hagen noch eines. Der Schild, den ihm Frau Gotelind gegeben hatte, 
war ihm aus der Hand zerhauen; er bat Rüdiger um den seinigen. 
Rüdiger gab den Schild hin; es war die letzte Gabe, die der milde 
Markgraf bieten konnte. Manches Auge ward von Tränen rot, und b 
wie grimmig Hagen auch war, so erbarmte ihn doch die Gabe. Er 
und sein Geselle Volker gelobten, Rüdiger im Streite nicht zu berühren. 
Run drang Rüdiger mit den Seinen in den Saal; schrecklich er¬ 
klangen drinnen die Schwerter. Da sah Eernot, wie viel seiner Helden 
der Markgraf schon erschlagen hatte, und sprang zum Kampfe mit 10 
diesem. Schon hatte er selbst die Todeswunde empfangen, da führte 
er noch auf Rüdiger den Todesstreich mit dem Schwerte, das der ihm 
gegeben hatte. Tot fielen beide nieder, einer von des andern Hand. 
Die Burgunden übten grimmige Rache, nicht einer von Rüdigers Man¬ 
nen blieb am Leben. Als der tote Markgraf hinausgetragen ward, ^ 
da erhob sich ein ungeheures Wehklagen von Mann und Weib; wie 
eines Löwen Stimme erscholl Etzels Jammerruf. 
k) Kampf der Berner mit den Burgunden. 
Ein Recke Dietrichs hörte das laute Wehe und meldete es seinem 
Herrn. Der wollte aber von den Burgunden selbst erfahren, was ge¬ 
schehen sei, und schickte den Meister Hildebrand. Zugleich rüsteten sich 
ohne Dietrichs Wissen alle seine Recken und begleiteten den Meister. 
Hildebrand befragte die Burgunden, und Hagen bestätigte Rüdigers s 
Tod; Tränen rannen Dietrichs Recken in die Bärte. Der Meister bat 
um den Leichnam, damit sie nach dem Tode noch des Mannes Treue 
vergölten. Sie sollten ihn nur aus dem Hause holen, erwiderte Volker, 
dann sei es ein voller Dienst. Mit trotzigen Reden reizten sich die 
beiden. Da rannte Wolfhart in weiten Sprüngen dem Saale zu, zorn-10 
voll alle Berner ihm nach. Trotzdem Meister Hildebrand abwehrte, 
entbrannte ein wütender Kampf. Volker erschlug Dietrichs Neffen 
Sigestab, Hildebrand Volker, Helfrich Dankwart. Wolfhart und Gisel- 
her fielen einer von des andern Hand. Niemand blieb am Leben als 
Günther und Hagen und von den Bernern Hildebrand, der mit einer 15 
tiefen Wunde von Hägens Hand entrann. 
Blutberonnen kam Hildebrand zu seinem Herrn zurück, der traurig 
im Fenster satz. Dietrich fragte, woher das Blut sei. Da erzählte der 
Meister, wie sie Rüdiger wegtragen wollten, den Gernot erschlagen 
habe. Als Dietrich den Tod Rüdigers bestätigen hörte, befahl er, daß ¿0 
seine Necken sich waffnen sollen. Mit Schrecken vernahm da der Berner
	        
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