Full text: Für die Klasse V (Teil 2 = Unterstufe, [Schülerband])

180 
Aus der Götterlehre der Griechen und Römer. 
drei und fragt ihn abermals, ob er die übrigen sechs um denselben 
Preis zu kaufen geneigt sei. Dies findet der König tioch mehr zitm 
Lächelt und äußert ganz laut, die Alte müsse ohne Zweifel nicht recht 
bei Verstände sein. Das Weib wirst abermals drei der Bücher ins 
Feuer und stellt in aller Ruhe dieselbe Frage, ob er nunntehr für den 
Rest der Bücher die geforderte Summe zahlen wolle. Jetzt wird des 
Tarqninius Miene ernst, sein Geist nachdenklicher. Er fühlt es deiltlich 
heraus, daß hinter solcher Ruhe und Zuoersichtlichkeit etwas von Be- 
dentnng verborgen sein müsse, itnb ersteht die letzten drei Bücher. Das 
Weib entfernt sich daraus, und niemand hat es je wiedergesehen." 
Das erzählt ein römischer Schriftsteller von der Herkunft der 
sibyllinischeu Bücher, durch die in Rom überhaupt erst die Ver¬ 
ehrung des hellenischen Apollon eingeführt ward; denn die Römer hatten 
ursprünglich keinen Gott, der mit jenem hätte verglichen werden können. 
Im Jahre 432 v. Chr. setzten eine große Pest und ein Erdbeben in 
Italien die Gemüter der Menschen in Schrecken. In dieser Not zog 
man die sibyllinischen Bücher zu Rate, und diese wiesen ans Apollon 
hin, den Pestabwehrer und Hilfespender der Griechen. Zu ihm erhob 
nun das geplagte Volk betend die Hände, und ihm weihte man im 
Jahre 429 als dem Apollo Medicns, dem Heilgotte, in Rom den 
ersten Tempel, und in der Osfenbarnng noch unbekannter Heilmittel 
schien den Römern der republikanischen Zeit die Hanpteigenschaft des 
Apollo zu liegen. 
80. Janus. 
H. Dütjchke, Der Olymp. 
Janus war llrsprünglich bei den Völkern Italiens der Gott des 
Himmels und der Sonne. Als solcher war er allsehend und daher 
kam es, daß man zu einer Zeit, wo man noch unbehilflich in der bild¬ 
lichen Darstellung war, den Janus durch einen Kopf mit einem Doppel- 
gesicht kennzeichnete, um anzudeuten, daß das Licht oder der Blick der 
Sonne nach allen Seiten hindringe. Aber allmählich ward diese seine 
Bedeutung vergessen; Jupiter und seine Gattin Inno traten an seine Stelle 
unb standen als die Himmelsgottheiten an der Spitze des gesamten 
Götterkreises. 
Nun blieb nur noch eine dunkle Erinnerung an den alten Gott 
des Lichtes übrig. Wo das Himmelslicht erglänzte, da fühlte man die 
Macht des Janus, und so nannte man jede Lichtöffnung, jeden Thor¬ 
bogen, also auch die Thür „Janus" oder „Janua". Jeden Morgen 
richteten die Priester ihr erstes Gebet an den „Morgenvater", und so 
ward ihm auch jeder Neumondtag geweiht, tveil an ihm das neue Licht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.