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Beschreibungen und Schilderungen.
sie kaum ein wenig leichten Sand und stein dien fortbewegen können,
von den Höhen rieseln. Sie vereinen sich zu Bächen, sie werden
breiter und voller, sie nehmen andere Bäche auf und rauschen in
tausend kleineren oder grösseren Fällen mit zerstörender Macht aus
den Felsrinnen hervor. Bald sind sie stark genug, Baumstämme und
selbst ansehnliche Steinblöcke mit sich fortzuwälzen, die sie abrunden,
aneinander reiben und zertrümmern. Nachdem sie sich mit noch
anderen Bergströmen verbunden haben, wird ihr Bauschen und ihre
Gewalt mit jedem Schritte stärker; ganze Massen Gesteins wälzen sie
jetzt mit sich, lassen sie zurück, wenn die Sonnenhitze des Sommers
ihre Wassermenge vermindert, und führen sie im Frühlinge, an¬
geschwellt von Schneewasser und Regengüssen, mit verdoppelter Ge¬
walt weiter. So erreichen sie die Ebene.
Ihr Fall ist jetzt lange nicht mehr so stark; die Wassermenge
braucht sich nicht mehr zusammenzudrängen und aufzustauen; denn
das Bett wird breiter und gemächlicher. Zwar rauscht der junge
Fluss noch ziemlich reifsend dahin, doch ist die erste, wilde Kraft des
frischen Bergstroms gebrochen. Die grösseren Felsblöcke hat er längst
zurückgelassen, und nur kleinere und immer kleinere, dann nur feines
Geröll, dann runde Kiesel, Grand und zuletzt nur Sand vermag seine
matter und matter werdende Strömung fortzuschaffen. Sein aller¬
letztes Werk aber, ehe der jetzt breit und ruhig dahin wogende, segel¬
tragende Strom sich in die Arme des Oceans ergieist, ist die Bildung
seiner fruchtbarsten Ufer, der Marschen, gleichsam als wolle er noch
zuletzt sein Leben mit dem schönsten Werke beschliefsen.
In seinem langen Laufe hat der Fluss von allen Körpern, die
er mit sich fortwälzte, die er aneinander rieb und zertrümmerte, in
deren Poren und Spalten seine Flut drang oder an denen er vorüber¬
zog, mancherlei Teilchen abgesondert oder aufgelöst und damit sein
Wasser gesättigt. Kalk, Thon, Sand und eine Menge pflanzlicher
und tierischer Überreste trüben seine Fluten. Alle diese Stoffe lagern
sich, sobald nur der Strom ruhig genug Hiesst, als Schlamm zu Boden
oder an die Ufer. Hiermit hat die Bildung der Marschen ihren An¬
fang genommen.
ln weit reicherem Masse aber als durch die beständig rieselnden
Quellen und Bäche gewinnt der Fluss an Bildungsstoffen für seine
Marschen durch plötzliche oder anhaltende Regengüsse. In ewiger
Verwitterung begriffen ist jedes zu Tage liegende Gestein, sei es nun
rascher oder langsamer, je nachdem seine Art ist. Erde und Staub
werden so von Tag zu Tag neu gebildet und dann, wenn ein tüchtiger
Regen kommt, teils im Thal abgelagert, teils bis in die Bäche ge¬
tragen. Das Allermeiste indes geben dem Flusse die mächtigen schon