H. Allmors, Marsch und Geest.
185
2. Die Geest.
Überall lehnen sich die Marschen flach an den Rand des höheren,
sandigen Landes, die „Geest/' genannt, oder lagern sich auch zum Teil
auf ihm. Die Benennung Geest, welche im deutschen Süden und
Osten unbekannt ist, hängt wohl mit dem plattdeutschen Worte „güst“
zusammen, das „unfruchtbar“ oder „nicht tragend“ bedeutet. In
Niedersachsen bezeichnet man mit jenem Worte die ganze norddeutsche
sandige Ebene bis an die ersten Erhebungen des mitteldeutschen
Berglandes. In den Marschen selbst aber nennt man alles schlecht¬
weg Geest, was nicht Marsch oder Moor ist, und mancher Bauer meint
daher auch steif und fest, die ganze Welt, seine fruchtbare, fette
Heimat ausgenommen, sei nur magere, traurige Geest.
Der hohe, jetzt mit Heide, Wald oder Kornfeldern bedeckte Geest¬
rand war einst, wie hier und dort auch noch heute, wirkliches
Flufsufer und zum Teil Dünenbildung. Deutlich sieht man noch heute
vielen sanften, wellenförmigen Geesthügeln am Rande der Heiden ihre
ehemalige Dünengestalt an, und wo keine Marschen davorliegen, gehen
diese am Meeresufer auch in wirkliche Dünen* über, so in der Nähe
von Cuxhaven.
So sehen wir, wie die minder fruchtbare Geest von den Marschen
wie von einem grünen, üppigen Rand umgeben wird, in welchen die
erstere mit mannigfachen Landzungen und Vorhügeln hineintritt.
Vom Herzogtum Bremen ist daher der alte, gute Vergleich entstanden,
dass es wie ein schlechter Mantel mit goldener Kante sei oder gar
wie ein magerer Pfannkuchen mit leckerem Rande.
Zuweilen geschah es auch, dass eine allein stehende, weit vor¬
geschobene Düne rings vom fetten, flüssigen Schlamm umflossen und
so vom übrigen Geestlande getrennt wurde. Man kann daher noch
heut mitten aus der fruchtbarsten Marsch den dürrsten Sandboden
hervorragen sehen gleichsam wie einen mageren Braten aus fetter Brühe.
Am häufigsten aber liegt zwischen Marsch und Geest noch ein
mehr oder minder breiter Moorstrich, namentlich da, wo die Geest sich
buchtenartig einwärts zieht. Wo das aber nicht der Fall ist, grenzen
beide Bodenarten oft so hart aneinander, dass man mit einem Fusse
auf trockenem Sande und zugleich mit dem anderen auf dem fettesten
Marschboden stehen kann.
Schon auf den ersten Blick tritt die Verschiedenheit von Marsch
und Geest aufs stärkste hervor. Diese ist hoch, wellenförmig und
hügelig; jene bildet eine fast mit dem Meeresspiegel gleichliegende,
vollkommen ebene Fläche. Auf der Geest zeigen sich Wälder und
Heiden; sie ist von Quellen und Bächen durchrieselt, mit Geröll und