Fortgang der Reformation.
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der Noch, als in lustigen Tagen sollte freien dürfen. In¬
dessen bekam er auch auf dem Gebiete der Wissenschaft
einen Gegner an Erasmus. Don den Katholiken schon
lange aufgefordert, gegen Luther zu schreiben, von diesem
selbst und seinen Anhängern vielfach gereiht, weil er sich
der Neformation nicht unbedingt anschlicßen wollte, über¬
wand er endlich seine Abneigung gegen offnen Zank, und
trat wider Luther in die Schranken. Dieser hatte, im
Gefühle von der Verderbniß menschlicher Natur und von
Gottes überschwänglicher Gnade in Christo, die Bedeutung
der menschlichen Selbstthätigkeit mehr als billig herabge¬
setzt. Erasmus zeigte datier in seiner Schrift vom freien
Willen, daß Gott nur selbstthätige Wesen strafbar finden
könne, daß es übrigens gerathner sey, auf so schwierige
Lehren, wie die vom Verhältnisse des Willens zur Gnade
nicht allznticf sich einzulassen. Der Angegriffne erwiederte
in schroffem und leidenschaftlichem Tone, worauf Eras¬
mus seinem hitzigen Gegner einige wissenschaftliche Bloßen
nachzuweisen suchte. Zn dieser Art mußte der rücksichts¬
volle, bedächtige Holländer die menschliche Freiheit gegen
die Zweifel eines Mannes in Schutz nehmen, der durch
seine Thaten diese Freiheit aufs glänzendste bewiesen hatte.
Wichtigere Folgen als der so eben erwähnte Streit hat
Luthers im Jahre 1524 an die Städte Deutschlands ergan-
gne Aufforderung gehabt, Schulen einzurichten und zu
erhalten. Es ist dieß einer der Punkte, welche zugleich
den gesunden, durchgreifenden Verstand des Reformators
und den eigentlichen Werth des von ihm begonnenen
Werkes in ein Helles Licht setzen. Bisher hatte man die
Vorbildung für höhere Studien meist in Klvsterschulen
gewonnen. Wo diese in Folge der Reformation eiuge-
gangen waren, mußte für neue Anstalten gesorgt werden.
Ueberdieß hieng es mit der Lehre vom Glauben, mit der
Verwerfung äusserlicher Gebräuche und der Verbreitung
des Bibelwortcs zusammen, daß man von jedem Christen