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Erzählungen.
suchen wollten, auf und ab und lauschten der Musik, die fröhlich vom
Kurhause herüberschallte. Unter den Spaziergängern befand sich auch
ein Herr, der von allen Seiten auffallend ehrfurchtsvoll begrüßt wurde
und deshalb einsamere Wege aufsuchte.
Da fühlte er sich plötzlich am Rockschoße erfaßt. Er blickte sich um
und sah ein blasses Mädchenaugesicht, das flehend zu ihm emporschaute.
„Wer schickt dich betteln, mein Kind?" fragte der Fremde.
„Meine kranke Mutter!" antwortete die Kleine.
„Wo ist dein Vater?"
„Der ist tot. — Ach, uns hungert so sehr!" setzte sie schluchzend
hinzu.
Der Herr, der schon seine Börse gezogen hatte, steckte sie wieder ein.
„Führe mich zu deiner Mutter, Kleine!" sagte er ltnb folgte dem
Mädchen, das ihn durch mehrere Straßen und Güßchen bis zu einem
kleinen, baufälligen Hause leitete.
„Hier wohnen wir, Herr!"
.Sie schritten zwei schmale, alte, knarrende Treppen hinauf. Daun
öffnete die Kleine eine Bodeuthür, und der Herr hatte nun einen Ein¬
blick in eine halbfinstere, unheimliche Dachkammer; der Verschlag war
feucht und kalt, und in der Ecke lag auf ärmlichem Lager eine junge
Frau, der das Unglück in den Augen zu lesen war. Sie richtete sich
stöhnend auf, als der Fremde eintrat.
„O, Herr Doktor," sagte sie, „es ist nicht recht, daß meine Tochter-
Sie heimlich gerufen hat. Ich habe keinen Heller und kann nichts
bezahlen."
Der fremde Herr winkte einen Diener herein, der ihm gefolgt
war, und sagte ihm einige Worte, worauf dieser sich sogleich entfernte.
„Haben Sie niemand, der für Sie sorgt?" fragte er daun.
„Ich habe keinen Verwandten, der sich um mich kümmern könnte,
und meine Wirtsleute sind selber arm. Mein Manu war Arbeiter.
Solange er lebte, ging es uns gut; seit er tot ist, habe ich Tag und
Nacht gearbeitet, um uns zu ernähren. Dann wurde ich krank, und so
kamen wir in Not und Elend."
Der Herr gab dem Mädchen Geld. „Geh, hole Brot und Wein!"
Schnell eilte das Mädchen davon und kehrte bald mit freudestrahlen¬
dem Gesichte zurück, ein Brot im Arme und eine Flasche Wein in der
Hand.
„Das lohne Ihnen Gott!" sagte die Frau mit Thränen in den
Augen.
Da trat der Arzt ein, den der Diener herbeigerufen hatte. Ehr¬
furchtsvoll verneigte er sich vor dem fremden Herrn, der diesen Augen-