Full text: (Für Quinta) (Abth. 2, [Schülerband])

200 B. Beschreibende Prosa. VIII. Bilder aus d. Völker- u. Menschenleben. 
Aus dem Verdecke erheben sich zwei mächtige, 70 Fuß hohe Mastbäume, 
an denen die unzähligen großen und kleinen Taue herablaufen und für 
den Neuling ein unentwirrbares Netz bilden. Hie und da stehen Bänke, 
außer welchen das stets mit der musterhaftesten Reinlichkeit gezierte Verdeck 
nichts Weiteres für die Bequemlichkeit der Reisenden darbietet, um den 
häufigen Arbeiten der Matrosen nicht hinderlich in den Weg zu treten. 
Am Hintertheil des Schiffes steht das mächtige Steuerruder, vor dem¬ 
selben zwei gut verwahrte Kompasse, welche mit einem weiter vom in 
der Mitte stehenden ein spitzes Dreieck bilden. 
Zu beiden Seiten des Deckes hangen zwei Boote und hinten eins 
an auswärts gebogenen Eisenstangen, von welchen sie mit Leichtigkeit 
in die See hinabgelassen und wieder aufgezogen werden können. Auf 
jeder Radverschalung liegt ein eisenblechernes Rettungsboot, welches an 50 
Menschen faßt und stets mit Mundvorrath versehen ist. In der Mitte 
des Decks zwischen den beiden Mastbäumen erhebt sich der mächtige 
Rauchfang, und neben ihm finden die Stallungen für Schafe, Schweine 
und Geflügel nebst einigen Wafferfässern ihren Platz. Einige Glasdächer, 
die gut mit Eisenstangen verwahrt und zur Auslüftung der unteren 
Räume bestimmt sind, so wie verschiedene Treppen nach unten machen 
das sonst noch Bemerkenswerthe des Verdecks aus. Auf einem solchen 
Dampfboote, wo außer 84 Reisenden noch 96 Personen der Schiffs¬ 
mannschaft bequem untergebracht werden, ist das Verdeck zu gewissen 
Stunden der Versammlungsort Aller. Bei schönem Wetter genießt man 
auf demselben die frische Seeluft, weidet sein Auge an den azurnen 
Fluten des Weltmeeres, erquickt sich bei Hellen Nächten an dem weithin 
sich spiegelnden Lichte des Mondes oder bewundert die tausend und 
aber tausend Funken in dem Schaume der Wogen, die ein kleines 
Thierchen mit phosphorischem Lichte hervorbringt. Außerdem fehlt es 
selten an Tagesneuigkeiten, welche dort verhandelt werden und aus dem 
Bereiche der Schiffswelt geschöpft sind. 
Gehen wir die Treppe hinab, so befinden wir uns auf dem Haupt- 
deck, auf welchem sich nach hinten zu die Kajüten erster Klaffe, jede nett 
eingerichtet, an beiden Seiten an einander reihen und endlich an einen 
kleinen, äußerst geschmackvollen, gerade unter dem Steuerrade befindlichen 
Salon stoßen, der für die Damen bestimmt ist. Die Mitte dieses Deckes 
nehmen die Küche, der Kuhstall und die Zimmermannswerkstätte nebst 
den Vorrathskammern ein. Nach vorne hin sind die Kajüten der Offi¬ 
ziere und Ingenieurs und die Räumlichkeiten für die Mannschaft. Eine 
Treppe tiefer befindet sich das Salondeck, welches seinen Namen von dem 
großen Speisesaal hat. Vier lange Tafeln, welche viermal des Tages 
gedeckt sind, füllen ihn aus, an der Rückseite steht ein kleiner Kamin 
und darüber eine bescheidene Bücherei. Bei schlechtem Wetter und des 
Abends ist dieser wohlerleuchtete Saal der Hauptvergnügungsort. Alle 
anderen Räume dieses Deckes nehmen Kajüten für Reisende zweiter 
Klaffe ein. Auf dem vierten Deck endlich steht die Dampfmaschine mit 
ihren ungeheuern Kesseln und Kohlenkammern und erhebt ihre Hebel 
bis ins dritte Deck hinauf, einem nimmer müden, Verderben drohenden 
Ungeheuer gleich, das stöhnend seinen Feffeln sich entwinden will.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.