XV. Wilhelm I. (1861-1888).
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Wörth war die erste offene Keldschlacht, welche die Franzosen seit 1815 verloren.
Am selben Tage gewann auch die 1. Armee einen glänzenden Sieg bei Spichern.
Der Kampf entwickelte sich ähnlich wie bei Wörth. Durch die Kampfbegier ent¬
brannte aus einem Vorstoß gegen den Feirtd, den man im Abzüge vermutete,
ein langandauerndes, fürchterliches Gefecht. Ls galt, 30 000 Franzosen unter
Frossard aus dem stark verschanzten Gifertwalde, von den Spicherer höhen nebst dem
steilen und fahlen Koten Berg, einer Stellung, die für uneinnehmbar galt, zu
vertreiben. Aber unsere Truppen kannten keine Hindernisse, keine Gefahren,
keine Müdigkeit. „Nur voran!" hieß es. Ja, hier war jeder auf sich selbst an¬
gewiesen. 32 Kompagnien von fünf verschiedenen Regimentern fochten zeit¬
weilig in wirrem Knäuel, weil eine einheitliche Leitung unmöglich war. General
v. Francois starb Öen Heldentod, von fünf Kugeln durchbohrt, als er die 9. Kom¬
pagnie der 39er stürmend den Koten Berg hinanführte.
Diese drei Siege waren für die deutschen Truppen von der größten Bedeutung.
Zunächst ist der erste Sieg von der nachhaltigsten Wirkung: er hebt den Mut, stärkt
das vertrauen in die eigene Kraft und begeistert zur Ausdauer. Dann hatten die
Soldaten unsere (Offiziere bei den Kämpfen stets in den ersten Reihen gesehen,
„den Tod nicht scheuend und Gefahr". Dadurch wuchs die Hochachtung vor den
Offizieren, aber auch das Gefühl ehrfurchtsvoller Kameradschaftlichkeit mit den¬
jenigen, die in Not und Gefahr mit ihnen fühlten und handelten. Zudem hatten
die Deutschen einen mehrfach überlegenen Feind besiegt. Das machte ihre Sto߬
kraft unwiderstehlich. Die gleichzeitigen Siegesnachrichten von allen Teilen der
deutschen Armee hoben die feste Zuversicht in die Vorzüglichkeit der obersten
Leitung. Allgemein sagten sich $ührer und Soldaten: „Mit den Franzosen — auch
den schrecklichen Turkos und Zuaven — sollen mir schon fertig werden."
In diesem siegessichern vertrauen folgte die Armee dem fliehenden $einde
gegen Metz.
Die französischen Generale gedachten, ihre Streitkräfte in Thalons zu ver¬
einigen und hier eine Hauptschlacht zu liefern. Napoleon aber wollte den un¬
geduldigen Parisern möglichst bald einen großen Sieg melden können und war
darum für eine Schlacht bei Metz; er übertrug den Oberbefehl dem Marschall
Bazaine. Dann änderte er seine Absicht über den Schlachtort jedoch wieder und
veranlaßte Bazaine, den Abzug auf Verdun anzuordnen; allein es war zu spät,
und er sollte nun zu einer Schlacht bei Metz gezwungen werden.
Unsere 1. und 2. Armee war dem zurückweichenden Feinde nach der Schlacht
von Spichern auf dem $uße gefolgt. Moltfe faßte den Plan, südlich von Metz
die merkwürdigerweise ungedeckte Mosel zu überschreiten und rechts schwenkend,
öen Feind in der Flanke und im Rücken zu umfassen. Steinmetz sollte auf dem
rechten Flügel die Flanke decken. Als aber der Brigadegeneral v. d. Goltz sah, daß
die Franzosen nach Norden abzogen, griff er auf eigene Faust mit der 26. Infanterie-
brigade an, um den Feind zum Stehen zu bringen und die Umklammerung zu
ermöglichen. Dadurch entwickelte sich am 14. August die Schlacht von dolombey-
ITouilly oder dourcelles (auch Borny genannt). Unter großen Verlusten wurde
der Zweck erreicht, der Abzug der Franzosen zum Stillstand gebracht, die Um¬
gehung erleichtert. Ehe letztere aber vollständig war, kam es noch zu den
mörderischen Schlachten von Pont ä Mousson, Dionville, Mars-la-Tour, Gravelotte
und St. Privat vom 16. und 18. August. Die (Einzelheiten dieses großen Ringens
der beiden mächtigen Heere zu schildern, ist hier unmöglich. Es sei nur darauf
hingewiesen, daß von beiden Seiten mit seltener Tapferkeit gestritten wurde, die