Full text: [Teil 5 = Kl. 5 (6. Schulj.), [Schülerband]] (Teil 5 = Kl. 5 (6. Schulj.), [Schülerband])

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Stube ahnten sie nichts seit langen, langen Wochen. Wenige 
Meilen jenseits des kleinen Försterhauses feierten sie schon das 
Siegesfest, jeder Bauer im Dorf wußte die Kunde, bis dorthin 
war sie gedrungen, dann aber mußte sie stillstehn vor den un— 
überwindlichen weißen Mauern, über die nur die Schwinge des 
Vogels den Weg findet. 
„Es wird heute eine eisige Nacht!“ sagte der Förster ge— 
dankenvoll. „Wenn es so weitergeht, erstarrt der Schnee so hart, 
daß er wohl die Last eines Menschen trägt. Dann mag es einer 
von den Burschen wagen und nach Schliersee hinuntergehen, damit 
wir hören, wie es draußen steht; die lange Einsamleit ist ent⸗ 
setzlich.“ 
Es mochte drei Uhr nach Mitternacht sein, ein stechender Frost 
zog den Schnee zusammen; da tönte mit einmal in der Nähe des 
Hauses ein Schuß. Der Förster fuhr empor. Wie wäre es mög— 
lich, daß ein Menschenkind des Nachts durch diese Wüste zöge! 
Er horchte auf, er blickte durch das mondhelle Fenster, und siehe 
da, es war in der Tat eine schlanke Gestalt, die vorsichtig über 
den Schnee hintastete, die Füße mit hölzernen Reifen gesichert, 
wie man sie im Gebirge zur Winterszeit trägt, um sich vor der 
Gefahr des Versinkens zu sichern. Bald pochte es sachte unten 
ans Tor, und als der Förster hinabstieg, stand ein Jägerbursch 
von Schliersee vor ihm, der den Hut lüftete und ihm freudig 
entgegenrief: „Paris hat kapituliert!“ Gegen Nachmittag war 
die Nachricht ins Dorf gelangt, und sein Herr in Schliersee wollte 
sich's nicht versagen, seinem eingemauerten Kollegen die kostbare 
Botschaft zuzustellen. So sprach der flinke siebzehnjährige Bursche; 
dos blaue, feurige Auge des Försters aber erglänzte, er hatte 
von tämpfenden Soldaten geträumt, und nun stand der Bote 
des Sieges auf seiner Schwelle. Natürlich wollte er ihn über 
Nacht nicht mehr von hinnen lassen, aber der Junge drängte: 
wenn der Tag beginnt, wird der Schnee wieder weich, die Nacht 
ist die rechte Zeit zu solcher Wanderschaft. Darum zog er denn 
fröhlich dahin; sein ferner Jodler verhallte über dem Schnee. 
So kam die Kunde von dem großen deutschen Sieg in den fernsten 
Winkel des deutschen Vaterlandes, und auch hier fand sie leuch— 
tende Augen, offene Arme und treue Herzen. 
Karl Stieler. 
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