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Stube ahnten sie nichts seit langen, langen Wochen. Wenige
Meilen jenseits des kleinen Försterhauses feierten sie schon das
Siegesfest, jeder Bauer im Dorf wußte die Kunde, bis dorthin
war sie gedrungen, dann aber mußte sie stillstehn vor den un—
überwindlichen weißen Mauern, über die nur die Schwinge des
Vogels den Weg findet.
„Es wird heute eine eisige Nacht!“ sagte der Förster ge—
dankenvoll. „Wenn es so weitergeht, erstarrt der Schnee so hart,
daß er wohl die Last eines Menschen trägt. Dann mag es einer
von den Burschen wagen und nach Schliersee hinuntergehen, damit
wir hören, wie es draußen steht; die lange Einsamleit ist ent⸗
setzlich.“
Es mochte drei Uhr nach Mitternacht sein, ein stechender Frost
zog den Schnee zusammen; da tönte mit einmal in der Nähe des
Hauses ein Schuß. Der Förster fuhr empor. Wie wäre es mög—
lich, daß ein Menschenkind des Nachts durch diese Wüste zöge!
Er horchte auf, er blickte durch das mondhelle Fenster, und siehe
da, es war in der Tat eine schlanke Gestalt, die vorsichtig über
den Schnee hintastete, die Füße mit hölzernen Reifen gesichert,
wie man sie im Gebirge zur Winterszeit trägt, um sich vor der
Gefahr des Versinkens zu sichern. Bald pochte es sachte unten
ans Tor, und als der Förster hinabstieg, stand ein Jägerbursch
von Schliersee vor ihm, der den Hut lüftete und ihm freudig
entgegenrief: „Paris hat kapituliert!“ Gegen Nachmittag war
die Nachricht ins Dorf gelangt, und sein Herr in Schliersee wollte
sich's nicht versagen, seinem eingemauerten Kollegen die kostbare
Botschaft zuzustellen. So sprach der flinke siebzehnjährige Bursche;
dos blaue, feurige Auge des Försters aber erglänzte, er hatte
von tämpfenden Soldaten geträumt, und nun stand der Bote
des Sieges auf seiner Schwelle. Natürlich wollte er ihn über
Nacht nicht mehr von hinnen lassen, aber der Junge drängte:
wenn der Tag beginnt, wird der Schnee wieder weich, die Nacht
ist die rechte Zeit zu solcher Wanderschaft. Darum zog er denn
fröhlich dahin; sein ferner Jodler verhallte über dem Schnee.
So kam die Kunde von dem großen deutschen Sieg in den fernsten
Winkel des deutschen Vaterlandes, und auch hier fand sie leuch—
tende Augen, offene Arme und treue Herzen.
Karl Stieler.
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