4. Der Bär.
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zähen Baste flicht man Schuhe, Taschen und dergleichen. Den süßen
Saft verwandelt der kluge Mensch in Birkenwein und Birkenzucker.
In den Polargegenden benutzt man alles von der Birke. Sie ist der
einzige Baum, der dem Menschen, wenn auch nur als Krüppel, in
jene unwirtlichen Einöden folgt. Dürfen wir uns wundern, wenn
man ihn dort in Liedern als den schönsten und nützlichsten Baum feiert?
A. Kleinschmidt.
4. Z>er Mär.
Aus seinem langen Winterschlase erwacht der Bär, streckt sich und
brummt, weil ihn die Frühlingssonne schon so bald in seinen Träumen
stört. Abgemagert tritt er aus seiner entlegenen Höhle hervor und
sieht sich zunächst nach einem guten Frühstück um. Er schleppt sich
langsam und schwerfällig durch die finstere Waldung; seine breiten
Tatzen haben sich gehäutet,-und jeder Schritt kommt ihm sauer vor.
Den finstern Blick wirft er ins Gebüsch, ob nicht ein Reh zu erspähen
sei oder ein Hase. Er horcht aus das Summen der Bienen und sehnt
sich nach dem Honig, achtet auf den Laus der Ameisen, deren Säure
seinen Gaumen besonders kitzelt, schnüffelt zugleich am Boden nach
schmackhaften Kräutern, nimmt aber am Ende mit Gras und Wurzeln
vorlieb, wenn er nichts Besseres findet. Kaum vermag ein guter Fang
seine mürrische Stimmung etwas zu erheitern, und nur gegen die
Bärin erweist er sich freundlich, eben auch nach seiner Weise.
Zur düstern Gemütsart des Bären schickt sich sein Körperbau; er
ist kurzbeinig und plumpen Leibes, steckt Sommer und Winter in dichter,
zottiger Wildschur. Sein Hals ist dick, breit der Kopf, die Stirn platt;
aber die Schnauze vorgestreckt; stark sind das Gebiß und die Klauen
seiner Tatzen. Das kleine, schiefe Auge zeigt einen mißtrauischen Blick,
und das aufgerichtete, kurze Ohr erspürt von fern den Laut; die feine
Nase leitet ihn auf den Fang. Der Künste treibt er mancherlei, er geht
oft aufrecht, doch wackelnd, klettert geschickt auf Bäume, versucht, ob
sie ihn wohl tragen, reißt mit den Tatzen die Äste an sich, mit
den Zähnen pflückt er die Früchte; ist er aber satt, so rutscht er
am Stamme herunter und kommt sicher wieder aus die Füße. Ge¬
nießt der Bär von Jugend auf das Glück einer guten Erziehung,
so bringt er es weit in schönen Künsten; er tanzt nach dem Schlage
der Trommel und nach der Pfeife die Menuett in abgemessenen
Schritten, reitet sein Steckenpferd, setzt mit Anstand den Hut auf,
macht Bücklinge und streckt seinem Tanzmeister dankend die Pfote dar.
Alles dies thut er unter beständigem Brummen; allein Maulkorb und
Stock verbieten ihm, den Gelüsten zu folgen, und die Kette hält fort¬
während seine Aufmerksamkeit gespannt. Im Bärenzwinger schreitet
er aus und nieder, ja er setzt sich zuweilen auf die Tanne und schaut
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