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5. Das Gewitter.
die Umstehenden an. Wirft man ihm eine Gabe hin, seien es Äpfel
oder Brot, so weiß er sie geschickt zu fangen, indem er, aufrecht sitzend,
den Leib hin und her wiegt und nach dem Zugeworfenen schnappt.
Die jungen Bären sind kleine, dicke Fettklumpen, wenn sie zur
Welt kommen; die Bärenmutter leckt sie beständig mit ihrer glatten
Zunge und wälzt sie mit der Tatze hin und her. Schnell wachsen sie
groß und gleichen dann vollkommen den Alten. Wie sorgfältig auch
seine Erziehung sein mag, der Bär bleibt immer gefräßig und räu¬
berisch, und sein dumpfes, mürrisches Brüten erwächst zur wilden Wut,
wenn er nicht erreicht, wonach sein Streben geht. Die Landleute in
Nußland und die Farmer im Westen Nordamerikas wissen von den
räuberischen Besuchen zu erzählen, die er nicht selten den Gehöften
oder den auf der Weide befindlichen Rindern abstattet.
So grimmig er ist, wird man doch leicht seiner Herr; wer Be¬
sonnenheit behält, mag des Zornes dieses Raubtieres spotten. Ein
beherzter Jäger geht ihm mit dem Knüttel entgegen und trifft ihn aus
die Rase, sein empfindlichstes Organ. Leicht ist er auch zu überlisten,
oder er geht in die Falle, die man ihm stellt. Man jagt den Bären
vorzüglich des Pelzes und des Fettes wegen, doch ist auch sein Fleisch
eßbar; ja die Tatzen und Schinken gelten als Leckerbissen.
Naht der Winter und stäubt den Schnee in den Wald, so schreitet
der Bär seiner Höhle zu, legt sich ruhig hin, knurrt noch hier und da
ein wenig und hält dann die Tatzen vor das Maul. Er trinkt und
frißt nicht und zehrt so von dem Fette, das er den Sommer hindurch
angelegt hat. Meier.
5. Aas Gewitter.
Die Sonne verbirgt sich hinter den schwarzen Wolkengebirgen, die
Nacht überwältigt den Tag; die Lüfte heulen, die Wälder rauschen,
die wirbelnden Stürme, die Vorboten des nahen Donners, treiben
Sand und Staub und Blätter mit einem bangen Getöse umher; die
Wellen der Flüsse empören sich, brausen und wälzen sich ungestüm fort.
Es fliehen die scheuen Tiere den Felshöhlen zu; mit ängstlichem Ge-
schwirre flattern die Vögel unter den Dächern und Bäumen; der Land¬
mann eilt nach seiner Hütte; Felder und Gärten werden verlassen.
Das Herz kämpft mit verschiedenen Leidenschaften, will seine Furcht
verbergen, die in allen Gebeinen zittert, und arbeitet, sich mit Stand¬
haftigkeit und Ruhe zu wassnen. Indessen wird die über die Erde
ausgebreitete Nacht immer fürchterlicher, und aus der Ferne murmelt
schon eine dumpfe Stimme die Drohungen des kommenden Donners
her, dem Ohr immer hörbarer. Auf einmal scheint das ganze Gewölbe
des Himmels zu zerreißen; ein erschreckliches Krachen füllt den weiten
Luftraum, die Erde bebt, und alle Widerhalle in den Gebirgen werden