Full text: [Teil 2 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 2 = Sexta, [Schülerband])

Buschmann: Ödipus und sein Geschlecht. 101 
kennen sich, der Korinther gesteht, daß er den Ödipus einst seinem 
Könige als Pflegekind übergeben hat, der geängstigte Diener bekennt — 
und nun ist alles klar! Gräßliches Entsetzen und die Angst des Wahn¬ 
sinns ergreifen das Herz des unglücklichen Königs; er will nicht sehen, 
was er glauben muß, und beraubt sich selbst des Augenlichts. Jokaste 
aber gibt sich den Tod. 
Nicht länger durfte der mit den: Fluche belastete Mann in Theben 
weilen. Seine eigenen Söhne stießen ihn aus, und, begleitet von seiner 
Tochter Antigone, wanderte er von Theben fort, um einen Ort zu 
suchen, wo er sein müdes Hauvt zum Tode niederlegen könne. So 
kam er nach Athen. Gastlich empfing ihn der König Theseus und ge¬ 
währte ihm seinen Schutz. Unterdessen erfüllte sich in Theben der 
Fluch, den Ödipus beim Verlassen der Stadt gegen seine erbarmungs¬ 
losen Söhne ausgestoßen hatte: Es brach zwischen den zweien Streit 
aus, und Polynices wurde durch seinen jüngern Bruder Eteokles des 
Thrones beraubt. Flehend kam Polynices zu seinem Vater, daß er ihn 
auf den Thron zurückführen möge. Aber Ödipus blieb bei seinem 
Fluch gegen die beiden Söhne, die ihn schmachvoll in die Fremde hinaus¬ 
gestoßen hatten, und betend erhob er seine Hände zum Zeus, daß er 
seinen Leiden ein Ende mache. Der Gott erhörte sein Gebet und sandte 
ihm in dem Haine Kolonos, der in der Nähe Athens liegt, und den 
der gequälte Ödipus aufgesucht hatte, den ersehnten, allen Kummer 
lösenden Tod. Antigone kehrte wieder nach Theben zurück. 
Aus Theben vertrieben und von seinem Vater verflucht, floh 
Polynices zu seinem Gastfreunde, dem Könige Adrastus von Argos, 
der ihm seine Tochter zur Gemahlin gab und ihn in sein Vaterland 
zurückzuführen versprach. Fünf andere Helden gesellten sich Polynices 
und Adrastus bei. Die sieben Fürsten sammelten ein großes Heer und 
nickten damit vor die Stadt Theben. Mehr und mehr wurden die 
Thebaner bedrängt. Da entschloß sich Eteokles, durch einen Zweikampf 
mit seinem Bruder die Entscheidung herbeizuführen; der Sieger sollte 
Stadt und Herrschaft sein eigen nennen. Polynices stimmte zu, und 
bald nahm der Kampf vor den Augen der Krieger aus beiden Heeren 
seinen Anfang. Von glühendem Haß erfüllt, rannten die feindlichen 
Brüder in wildem Ansturm aufeinander und — gaben sich gegenseitig 
den Tod. So war dem Bruderstreit ein Ende gemacht; Adrastus 
und die übrigen Führer hoben die Belagerung auf, und Kreon wurde 
König von Theben. 
Nach dem Abzüge der Feinde wurden die Toten bestattet. Bei 
Todesstrafe verbot jedoch Kreon, dem Leichnam des Polynices ein Grab 
zu bereiten; unbegraben sollte er den Vögeln und Hunden zum Fraße 
dienen. Da faßte Antigone in treuer Schwesterliebe den Entschluß,
	        
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