Full text: [Teil 3 = Quinta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quinta, [Schülerband])

Buschmann: Die Spartaner. Lykurgos. 
91 
2. 
Seine Hauptsorge widmete Lykurg der Erziehung der Jugend. 
Sobald ein Kind geboren war, wurde es von den Ältesten der Familie 
untersucht; die schwachen und kränklichen Kinder wurden in dem 
Taygetusgebirge ausgesetzt; nur die gesunden wurden aufgezogen. Bis 
zu seinem siebenten Jahre blieb der Knabe im Hause der Eltern, und die 
Mutter hatte dafür zu sorgen, daß er ohne Verweichlichung aufwuchs; 
an Leib und Seele gesund sollte er der öffentlichen Zucht übergeben 
werden. Vom siebenten Jahre an gehörten die Knaben dem Staate. 
Sie wurden von da ab in den sogenannten Gymnasien erzogen, wo sie 
besonders körperlichen Übungen oblagen. So übten sie sich im Laufen, 
Springen und Ringen, im Speer- und Diskuswurf und später auch 
im Waffenkampf. Bei festlichen Gelegenheiten gaben sie Proben ihres 
kriegerischen Mutes. Sie führten dann einen Waffentanz auf und 
stritten ohne Waffen, indem sie mit den Fäusten, bald einzeln, bald in 
ganzen Scharen, gegeneinander kämpften. Um sie für den Krieg listig 
und besonnen zu machen, wurden sie oft mehrere Tage sich selbst über¬ 
lassen; keiner durfte ihnen Nahrung verabreichen; so waren sie gezwungen, 
sich heimlich und durch allerlei Listen ihren Unterhalt zu beschaffen. 
Wer aber entdeckt wurde, den traf harte Strafe. Übrigens war fest 
bestimmt, wieviel jeder nehmen durfte; wer mehr nahm, wurde als Dieb 
bestraft. 
Die ganze Erziehung war hart und strenge. Die Knaben schliefen 
auf Stroh und vom fünfzehnten Jahre an auf Schilf, das sie sich 
selbst am Ufer des Eurotasflusses schneiden mußten. Ihre Kleidung 
war leicht, im Winter und Sommer genau dieselbe; Kopf und Füße 
waren unbedeckt. Früh wurden sie gewöhnt an Hunger und Durst, an 
Frost und Hitze, an übermäßige Anstrengungen und sogar an körper¬ 
lichen Schmerz, den sie freiwillig auf sich nehmen mußten. So heißt 
es, daß die Knaben alle Jahre einmal vor dem Tempel der Artemis 
mit Ruten gegeißelt wurden, und es hätte für Schmach gegolten, 
dabei auch nur einen Laut des Schmerzes von sich zu geben. Damit 
der Knabe sich den nötigen Ernst aneigne, mußte er mit irgend einem 
ältern Manne Umgang pflegen. Dieser unterhielt ihn mit ernsten 
Dingen, schärfte ihn in kurzen und treffenden Antworten (lakonischer 
Redeweise) und belehrte ihn über die Pflichten gegen den Staat. Vor 
allem aber wurden die Knaben zur Bescheidenheit angehalten; vor¬ 
lautes Wesen und unnützes Gerede war streng untersagt; auf der 
Straße mußten sie schweigsam dahergehen, den Blick gesenkt und 
beide Hände in den Mantel geschlagen. Achtung vor dem Alter war 
strenges Gebot. So dauerte die Erziehung bis zum zwanzigsten Jahre; 
aber noch bis zum dreißigsten mußten die Jünglinge täglich Kriegs-
	        
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