Full text: [Bd. 1, [Schülerband]] (Bd. 1, [Schülerband])

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Nymphe den unwiderruflichen Rathschluß Jupiters zu verkündigen, 
daß dem Dulder die Wiederkehr in seine Heimath bestimmt sei. 
Athene selbst (Minerva) band sich die ambrosischen goldenen Sohlen 
unter die Füße, womit sie über Wasser und Land dahin schwebt, 
nahm ihre mächtige Lanze, mit der gediegenen scharfen Spite von 
Erz, mit welcher sie so manche Helden in der Schlacht bezwungen 
hatte, zur Hand, schwang sich stürmend von dem felsigen Gipfel des 
Olympus herab, und bald stand sie auf der Insel Ithaka, die an 
der Westküste Griechenlands liegt, am Palaste des fernen Odysseus, 
vor der Schwelle des Hofes, da wo der Weg zum hohen Thore 10. 
des Königshauses führte. Ihre Göttergestalt war verwandelt, und 
die Lanze in der Hand glich sie dem tapfern Mentes, dem Könige 
der Taphier. 
Im Hause des Odysseus sah es traurig aus. Die schöne Pe— 
nelope, die Tochter Jkarions, blieb mit ihrem jungen Sohne Telemach 15. 
nicht lange Meister in dem verlassenen Palaste. Als OÜdysseus, 
nachdem sich längst die Nachricht von Troja's Fall und von der 
Rückkehr der andern Helden verbreitet hatte, allein nicht heimkehrte, 
verbreitete sich allmählich mit immer größerer Sicherheit die Sage von 
seinem Tode, und es fanden sich auf der Insel Ithaka selbst, auf 
welcher noch andere mächtige und reiche Leute außer dem Fürsten 
Odysseus wohnten, nicht weniger als zwölf, und von der benach— 
barten Insel Same vier und zwanzig, von Zacynth zwanzig, ja von 
Dulichium zwei und fünfzig Freier mit einem Herold, einem Sänger, 
zween geübten Köchen und großem Sklavengefolge bei Penelope ein, 
die, unter dem Vorwand um die Hand der jungen Wittwe zu 
werben, alle im Hause und vom Gute des abwesenden ii zehrten 
und den frechsten Uebermuth trieben; und dieses Unwesen hatte nun 
schon über drei Jahre gewährt. 
Als Athene in der Gestalt des Mentes ankam, fand sie die 30. 
üppigen Freier eben an der Pforte des Hauses mit Steineschieben 
beschäftigt, und diejenigen, die nicht gerade den Stein schoben, lagen 
auf den Häuten von Rindern hingestreckt, die sie selbst dem Odysseus 
aus den Ställen genommen und geschlachtet hatten. Herolde und 
aufwartende Diener eilten hin und her; die einen mischten in gewal- 35. 
tigen Krügen den Wein unter das Wasser, andere säuberten die 
umhergestellten Tische mit Schwämmen, und zerlegten das reichlich 
aufgetragene Fleisch. Der Sohn des Hauses, Telemachus selbst, 
saß mit einem Herzen voll Betrübniß unter den Freiern, und gedachte 
an seinen herrlichen Vater, ob er nicht endlich käme, die Schaaren 40. 
der Frechen zu zerstreuen und sich wieder in den Besitz seiner Habe 
zu setzen. Wie er die Göttin in der Gestalt des fremden Königs 
erblickte, eilte er ihr an der Pforte entgegen, faßte die Rechte des 
vermeintlichen Gastfreundes, und hieß ihn willkommen. Als sie beide 
in den gewölbten Saal des Palastes eingetreten waren, und Athene 45. 
ihre Lanze in den Speerkasten, der sich an der Haupisäule befänd, 
zu den Lanzen des Odysseus gelehnt hatie, führte Telemachus seinen 
Gast zu Tische an einen Thronsessel mit schön gewirktein Polster, 
hieß ihn sitzen und schob ihm einen Schemel unter die Füße; er selbst 
5.
	        
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