Full text: [Bd. 1, [Schülerband]] (Bd. 1, [Schülerband])

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„Ich habe den Oheim umgebracht 
und heische das eine, noch diese Nacht 
die Strafe des Mordes zu büßen!" 
\22. Der Sängerkrieg auf der Wartburg. 
von Ferdinand Bastler. 
Am Hofe des edeln Landgrafen Hermann und seiner Gemahlin 
Sophia auf Schloß Martburg stellten im Jahre \207 sechs meisterliche 
Minnesänger ein Mettsingen an. Die Namen dieser Meister waren: 
Malter von der Nogelweide, Molsram von Eschenbach, Reinmar von 
Zweier, Biterolf, Heinrich, genannt der tugendhafte Schreiber, und Hein¬ 
rich von Ofterdingen. Sie hatten aber untereinander bedungen, wer im 
Streit des Singens unterliege, der solle sterben durch des Denkers pand 
Sie sangen aber alle ihrem edlen Mirte, Hermann, dem Landgrafen von 
Thüringen und Hessen, zu Ehren, verglichen ihn dem Hellen Tage und 
erhoben ihn über alle Fürsten. Nur Heinrich von Gfterdingen pries 
Leopold, den Herzog von Österreich, noch höher und stellte ihn der 
Sonne gleich. Darüber wurden die andern, die ihn ohnehin aus Neid 
am Thüringer pofe nicht gern sahen, gegen ihn erbittert; und da ste 
alle stch wider ihn vereinten, mußte er trotz seiner hohen Aunst den 
Gegnern endlich unterliegen. Diese riefen nun Stempfel, den Denker, 
der sollte Heinrich an einen Baum knüpfen. Der geängstigte Sänger 
floh in die Gemächer der Landgräfln und barg stch vor den Verfolgern 
unter ihrem Mantel. Da mußten ste von ihm abstehen; und er dingte 
mit ihnen, daß sie ihm ein Zahr Frist gäben, er wolle aus Sieben¬ 
bürgen Meister Alingsor holen, der solle ihren Streit entscheiden. Dieser 
nämlich galt für den berühmtesten deutschen Minnesänger jener Zeit und 
war zugleich ein großer Zauberer. Auf die Fürsprache der Fürstin 
wurde Heinrich diese Frist von seinen Gegnern bewilligt, und so machte 
er sich aus und kam erst zum Herzog von Österreich, seinem geliebten 
Herrn, um dessentwillen er sich in diese tödliche Gefahr gebracht hatte. 
Non da ging er mit Briefen des Herzogs gen Siebenbürgen zu Alingsor, 
dem er die Ursache seiner Fahrt erzählte und seine Lieder vorsang. Der 
Meister war mit diesen Proben seiner Aunst wohl zufrieden und ver¬ 
sprach, mit ihm nach Thüringen zu ziehen und den Streit zu schlichten. 
Doch hielt er seinen Gast unter allerlei Aurzweil fast ein ganzes Jahr 
hin, und die bewilligte Frist lief ihrem Ende zu. U)eil aber Alingsor 
noch immer keine Anstalt zur Reise machte, wurde Heinrich bange und 
sprach: „Meister, ich fürchte, Ihr lasset mich im Stich, und ich muß 
allein und traurig meine Straße ziehn und werde zur bestimmten Zeit
	        
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