Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

143 
regieren wie den breiten Korb mit Gemüse und Milch auf dem Kopf 
zu tragen. Auf mächtigen Flößen schwimmen kräftige Männer den 
Strom hinab, als wollten sie die Schiffahrt in der einfachen Weise 
noch zeigen. Eine ganze Reihe von Bretterzelten haben sie auf 
ihrem Floße aufgeschlagen, das sie Tag und Nacht nicht verlassen. 
Vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Untergang ist es lebendig 
auf dem Strome. Wenn der Tag graut und der Morgennebel sich 
vom Flusse erhebt, ertönt schon die Schiffsglocke in die Talschluchten 
hinein. Eilig kommen die Säumigen gelaufen um die Abfahrt nicht 
zu verfehlen, und wenn die ersten Sterne am Himmel funkeln, 
plätschern noch immer die Räder der Dampfschiffe. Laternen mit 
rotem und grünem Scheine werden an dem Mast in die Höhe gehißt 
und nicht eher wieder herabgelassen, als bis das Schiff seinen Be¬ 
stimmungsort wieder erreicht hat. Und wenn alles auf dem Flusse 
schweigt, so wird er zuletzt noch beleuchtet. Bis spät in die Nacht 
hinein fällt nämlich der Schein von tausend und aber tausend Lichtern 
am ganzen Ufer entlang aus den Wohnungen der Menschen in die 
Wellen des Flusses. So nahe und sorglos reiht sich Stadt an Stadt 
und Dorf an Dorf den Fluß entlang. 
Karl Gilde. Vaterland. Lesebuch. Magdeburg. 
Vgl. Geistbeck-Engleder, Geogr. Typenbilder Nr. 8 (Der Rheindurchbruch bei 
Bingen) oder Hölzel, Geogr. Charakterbilder Nr. 37 (Der Rhein bei St. Goar) oder 
Lehmann, Geogr. Charakterbilder Nr. 2 (Rhein b. Bingen) oder Voigtländer, Künstler- 
steinzeichnungen Nr. 108 (Rhein b. Bingen). 
118. Die Weinlese am Rhein. 
1. Reben und Rhein, sie gehören zusammen seit Jahrhunderten. 
Den edlen Rüdesheimer Wein ließ, wie die Sage erzählt, der Kaiser 
Karl selbst anpflanzen. Einst schaute der Kaiser, es war im Monat 
März, von seinem prachtvollen Palaste zu Ingelheim hinab auf den 
Strom und die rechtsrheinischen Höhen und gewahrte, wie bei 
Rüdesheim am Berge der Schnee zuerst weggeschmolzen war. Da 
ließ er aus fernen Landen edle Reben kommen und dort anpflanzen; 
daraus ist der vortreffliche Rüdesheimer Bergwein entstanden. Heute 
noch läßt die Sage den alten Kaiser aus seiner Gruft zu Aachen 
zum Rheine heraufschreiten und die Reben am Strome segnen. 
So ist das Rheinland geworden zum Weinland und aller Wohl¬ 
stand des Landes, alle Behaglichkeit des Lebens und Verkehrs hängt 
in diesem Gebiete ab von dem günstigen Ausfall der Weinernte; da¬ 
her beginnt im Spätherbste, der eigentlichen Erntezeit am Rhein, 
hier ein doppeltes Leben. 
Am ganzen Strome wird der Beginn der Traubenlese, welcher 
zwischen Anfang Oktober und Ende November je nach der Trauben¬ 
reife wechselt, von dem Ortsvorstande in Gemeinschaft mit den größeren 
Besitzern auf einen bestimmten Tag festgesetzt. Bis zu diesem Augen¬
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.