Kulturgeschichtliches.
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übertroffen, 1770 zu Bonn geboren, der in der Instrumentalmusik den ersten
Rang einnimmt (Adur-, Cmoll - Symphonie,die Oper Fidelio, die Missa solemnis).
Er erlebte es noch (f 1824), dafs man von dem „Melodieenverschwender“ Rossini
sich zum Sinnentaumel hinreifsen liefs (Der Barbier von Sevilla, Wilhelm Teil).
Auch das 19. Jahrhundert brachte eine Menge bedeutender Komponisten
hervor, unter denen die klassische Bedeutung Schuberts als Liederkompo¬
nisten erst nach seinem Tode erkannt ist (+ 1828 zu Wien 28 Jahre alt), er
wird mit Recht als Schöpfer des deutschen Liedes bezeichnet. Auch in der
Musik machte sich die Romantik geltend. Spohr, (Carl Maria von) Weber
(Preciosa, Freischütz) und Marschner sind die 3 grofsen Meister dieser Rich¬
tung in Deutschland. Gleichzeitig komponierten in Frankreich Meyerbeer, in
Berlin geboren (Robert der Teufel, die Hugenotten, schwächer die Afrikanerin),
Auber (Fra Diavolo, die Stumme von Portici), Gounod, der Pole Chopin, der
Begründer einer neuen Art des Klavierspieles, in Italien Bellini, Donizetti,
Paganini, der gröfste Geiger.
Der neuesten Richtung gehören Mendelsohn-Bartholdy, Schumann, Franz
Abt, Franz Liszt, Anton Rubinstein, Johannes Brahms, vor allem der Dichter
und Komponist Richard Wagner an.
212. Die Philologie. Seit dem 16. Jahrhunderte hat die Philologie nach
2 Richtungen hin eine wissenschaftliche Ausbildung erfahren. Die „Nominalisten“
sammelten, ordneten den Sprac hstoff und verwandten ihn zur Erklärung der alten
Schriftsteller, die „Realisten“ sammelten mit grofsem Fleifse Geschichtliches,
Geographisches, Mythologisches und Antiquitäten. Indem nun die kritische Prü¬
fung, welche die Philosophie beherrschte, auch in die Philologie drang, wurde
dieselbe zu einer selbständigen und grofsartigen Wissenschaft, an der viele Na¬
tionen einen ehrenvollen Anteil haben.
Die meisten derselben sind freilich über die grammatische Behandlung nicht
hinausgekbmmen. So haben unter vielen ändern die Italiener im 18. Jahr¬
hundert ihren Forcellini, die Franzosen Gassendi, auch stifteten sie die Aca-
demie des inscriptions und bereicherten die Philologie durch ihre Expedition
nach Algerien. In den Niederlanden folgte auf die Männer des 16. Jahr¬
hunderts (§. 36) ein Perizonius, Heinsius, Ruhnken, Hemsterhuys u. a.
Geistvoller war die Behandlung der Philologie durch die Engländer. Bentley
(f 1742) würdigte und erklärte scharfsinnig Horaz und andere alte Schriftsteller.
Deutschland, das schon im 16. Jahrhunderte einen Reuchlin, Melanch-
thon u. a. aufzuweisen hatte, dann aber nach dem 30jährigen Kriege auch in
der Philologie das Ausland, besonders Holland nachahmte, übertrifft im 18., noch
mehr im 19. Jahrhunderte alle Völker sowohl durch die Gediegenheit als auch
durch die Verbreitung der philologischen Studien und hat die Philologie zu einer
wahren Wissenschaft aufgebaut. Bahnbrechend sind vorzugsweise gewesen Er-
nesti, Professor der Theologie zu Leipzig, gestorben 1781, und durch seine
grammatisch-stilistische Richtung Gottfried Hermann, dessen Methode Butt¬
mann, Passow, Lobeck, Dindorf zu erweitern oder in die Schule einzuführen
suchten.
Im Gegensätze zu dieser mehr formalen Richtung suchten Gesner, Winckel-
mann, Lessing, (Christian, Gottlieb) Heyne, denen Heeren, Meiners, Schneider,
Manso, Jokobs folgten, der realen Philologie volle Geltung zu verschaffen. Beide
Richtungen vereinigte zu einem grofsartigen und klar gegliederten Ganzen, das
als Altertumswissenschaft bezeichnet wurde, Friedrich August Wolf. Sein
Ziel war, die alte Welt gründlich zu erforschen, ihre Litteratur auszubeuten, um
eine allseitige Kenntnis des Menschen im Altertume, seines ganzen Seins und
Denkens zu erlangen und so unsere eigenen Seelenkräfte zu erwecken und zu
verfeinern. Seine „Prolegomena in Homerum“, welche den Weg durch ganz
Europa machten, haben die „homerische Frage“ ins Leben gerufen. Fast gleich¬
zeitig und von ihm unabhängig durchforschte mit fast gleicher Bedeutung Creuzer
das Mythologische. Bökh, Niebuhr (Römische Geschichte), Otfried Müller, Welcker,
Becker, Thiersch, K. Fr. Hermann, Ritschl, Lehrs u. a. haben ihre Meister viel-
ach ergänzt, berichtigt und übertroffen. Der heftige, zuerst von Bökh und