Full text: [Schuljahr 5, [Schülerband]] (Schuljahr 5, [Schülerband])

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machen gar kurzen Prozeß da drinnen gegen gefangene Ritter." 
Und kaum hatte sie das Wort gesprochen, als aus dem Dickicht 
ein Mann hervorbrach, atemlos und mit verstörten Zügen. Sein 
eilender Gang war nach der Mühle gerichtet, an deren kleines 
Fenster er heftig klopfte. „Brot," rief er der Müllerin ent¬ 
gegen, welche erschrocken heraussah, „Brot und Wein! und 
Linnen zum Verband! Geschwind, Weib! eilet Euch, es ist kein 
Augenblick zu verlieren." Da schrie die Burgfrau von Gailen- 
reuth laut auf, stürzte auf den Mann zu und umfing ihn mit 
ihren Armen. „Eppelin! Eppelin!" war der einzige Laut, den 
sie hervorbringen konnte. Und die Knaben eilten herbei und 
sprangen laut jubelnd an dem Vater empor und das zarte 
Mägdlein schmiegte sich an seine Kuiee. Er aber starrte alle 
an und drängte sie zurück. Das Brot und den Weinschoppen, 
welche beide die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an 
sich und ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau ihre 
Tränen getrocknet hatte, und ihren Schleier noch dazu und rannte 
damit in das Dickicht zurück. Aber Frau Hedwig, die den 
Gatten nur zu wohl erkannt hatte, folgte mit ihren Kindern 
jählings nach. Und da, wo das Gebüsch sich nach dem Wege 
öffnete, hart am Rande des Waldes, sahen sie den Ritter zu 
einem Gegenstand hineilen, der am Boden lag. Es war ein 
Roß. Er warf sich neben ihm auf die Kniee nieder, benetzte 
die wutschnaubenden Nüstern mit Wein und steckte ihm Brot, 
das gleichfalls damit befeuchtet war, zwischen die Zähne. 
Dann zerriß er den Schleier und das Tuch, tauchte sie in den 
nahen Fluß und schlang sie um die blutenden Beine des Rosses, 
während er ihm zuweilen die Seiten und den Rücken klopfte. 
Staunend sahen solches Frau Hedwig und ihre Kinder mit 
an. Sie erkannten jetzt wohl das Streitroß- des Gatten, des 
Vaters; aber fast war es schwer zu erkennen; Blut und Schaum 
bedeckten es und ohnmächtig streckte es seine starken und schönen 
Glieder. „Eppelin! Eppelin!" rief jetzt Frau Hedwig noch einmal, 
„du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem Rosse und 
hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet ist es, wie es 
scheint; es gibt ja der Rosse mehr, sollte man glauben." 
Da wandte sich Eppelin um und umarmte sein Weib.
	        
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