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segnet, was ihr mildes Antlitz bescheint? Der Durchmesser der Sonne ist
einhundertvierzehnmal größer als der Durchmesser der Erde. Aber im Körper⸗
maß beträgt ihre Masse anderthalbmillionenmal so viel als die Erde. Wenn
sie hohl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere Erde in ihr Raum;
auch der Mond, der doch 50000 Meilen von uns absteht, könnte darin
ohne Anstoß auf- und untergehen wie so; ja er könnte noch einmal so
weit von uns entfernt sein, als er ist, und doch ohne Anstoß um die
Erde herumspazieren, wenn er wollte. So groß ist die Sonne und geht
aus der nämlichen allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das Mag—
samen- oder Mohnsamenkörnlein in seiner Schale bildet und zur Reife
bringt, eins so unbegreiflich wie das andere
5. Der Blinde.
Fräedräüeh Adolf Krummacher. Parabeln. 9. AMusg. Essen. 1876. G. D. Bãdeker. S. 30.
Ein Blinder stand mit aufgerichteten Haupt in den Strahlen der
milden Frühlingssonne. Ihre Wärme durchströmte seine Glieder, und
ihr Glanz senkte sich auf die versiegten Lichtquellen seines Angesichtes,
das er unverwandt ihr darbot.
„O du unbegreifliches Lichtmeer!“ rief er aus, „du Wunder der all—
mächtigen Hand, die dich erschuf und auf deiner herrlichen Bahn dich
leitet! Aus dir strömet ewige Fülle, Leben und Wärme, und nie ver—
siegt deine Kraft! Wie groß muß der sein, der dich gebildet hat!“
So sprach der blinde Mann. Seine Rede vernahm ein anderer, der
neben ihm stand, und es befremdeten ihn die Worte des Blinden; des—
halb begann er und fragte: ‚Wie kannst du das Gestirn des Tages be—
wundern und siehest es nicht?“
Da antwortete der Blinde und sprach: „Eben darum, mein Freund.
Seit das Licht meiner Augen verdunkelt, und der Glanz der Sonne mir
verschlossen ward, wohnet sie in meiner Seele. Jedes Gefühl ihrer Nähe
lässet sie in mir selbst aufgehen und ihren Glanz in meinem Innern
leuchten. Ihr aber schauet sie nur wie alles, was ihr täglich sehet,
mit leiblichem Auge.“ —