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Der Buchfink baut sich sein luftig Gezelt,
Und die Lerche lobsinget im Steigen,
Und die Vögelein all auf dem Berg und im Thal,
Sie stimmen die Kehlen zum Frühlingschoral;
Sie grüßen mich munter und rufen zumal:
Wir feiern die fröhlichsten Ostern!
Da hör' ich von ferne noch helleren Klang;
Die Kinder, sie tanzen den Reihen;
Die dumpfige Stube verschloß sie so lang,
Nun spielen sie wieder im Freien;
Die munteren Füllen, entsprungen dem Stall,
Sie schlagen den Reif, und sie werfen den Ball,
Sie tummeln sich lustig und rufen mir all:
Wir feiern die fröhlichsten Ostern!
Doch abseits an der Linde auf hölzerner Bank,
Da sitzet ein Paar, sich zu sonnen;
Die Tochter, sie führet die Mutter so krank,
Die heute dem Lager entronnen;
Wie wärmt ihr die Sonne das matte Gebein,
Wie schlürft sie die Lüfte, die labenden, ein!
Vier Augen, die leuchten in seligem Schein:
Wir feiern die fröhlichsten Ostern!
Nun aber hör' ich in festlichem Chor
Vom Turme die Glocken erschallen;
Still tret ich mit ein in das heilige Thor,
Da braust's durch die dämmernden Hallen:
Der Herr ist erstanden aus Grabesnacht,
Der Tod ist verschlungen, der Sieg ist vollbracht,
Lobsinget, ihr Christen, und jauchzet mit Macht:
Wir feiern die fröhlichsten Ostern!
Und als ich trat aus dem Gotteshaus,
Da grünten die Gräber im Kreise;
Da sucht ich mir eines, mein teuerstes, aus;
Dort stand ich und betete leise;
Da säuselt in Lüften ein seliger Klang,
Wie wenn sein Gefieder ein Engelein schwang;
Da tönt' es hernieder wie Seraphsgesang:
Wir feiern die fröhlichsten Ostern!