Der Flachs. Sommernacht.
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hin, und wo sie etwas berührten, da sah man ihre Spuren. Das waren
die roten Fünkchen, die Kinder, die aus der Schule kamen mit dem
Schulmeister hinterher. Es war ein Vergnügen zu sehen, und die
Kinder standen um die tote Asche herum und sangen:
„Schnipp! Schnapp! Schnurr!
Wir gehn nach Laus;
das Lied ist aus!"
Aber die kleinen unsichtbaren Wesen sagten: „Das Lied ist nie¬
mals aus, und das ist gerade das Beste daran. Ich weiß es, und
darum bin ich der allerglücklichste von allen."
Doch die Kinder konnten es weder hören noch verstehen, und das
sollten sie auch nicht; denn Kinder müssen nicht alles wissen.
Äans Christian Andersen.
44. Sommernacht.
Es wallt das Korn weit in die Runde,
und wie ein Meer dehnt es sich aus;
doch liegt auf seinem stillen Grunde
nicht Seegewürm noch andrer Graus;
da träumen Blumen nur von Kränzen
und trinken der Gestirne Schein,
o goldnes Meer, dein friedlich Glänzen
saugt meine Seele gierig ein!
In meiner Äeimat grünen Talen,
da herrscht ein alter, schöner Brauch:
wann hell die Sommersterne strahlen,
der Glühwurm schimmert durch den Strauch,
dann geht ein Flüstern und ein Winken,
das sich dem Ährenfelde naht,
dann geht ein nächtlich Silberblinken
von Sicheln durch die goldne Saat.
Das sind die Bursche jung und wacker,
die sammeln sich im Feld zuhauf
und suchen den gereiften Acker
der Witwe oder Waise auf,
die keines Vaters, keiner Brüder
und keines Knechtes Äilfe weiß —