Die Linde. Die Birke.
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und Juli. Vorsorgliche Leute pflücken die Lindenblumen, um daraus
Tee zu gewinnen, der bei Erkältungen gute Dienste tut. Das weiße,
etwas unangenehm riechende Äolz wird von Bildhauern und Form¬
schneidern zu Schnitzarbeiten gesucht. Der innere Lindenbast hat zähe
Fasern, die zu Stricken, Matten, Säcken usw. geflochten, auch zum An¬
binden der Blumen und Weinreben, beim Baumveredeln und beim
Dachdecken verwendet werden. Lindenkohle dient zum Zeichnen, zerstoßen
auch als Zahnpulver und wird mit Schwefel und Salpeter zu Schie߬
pulver gemengt.
Lerrlich ist die Krone der Linde zu schauen mit ihren weithin¬
gestreckten Ästen, ihren bogig abwärts geneigten Zweigen, ihrem lieblichen
Blätterwerke. Manch ein Vöglein findet da sicheren Versteck für sein
Nest und dankt der Äerbergs mutter mit hell schmetterndem Lied. Von
weit her kommen fleißige, summende Bienen, um den leckeren Blumensast
zu naschen und daraus Äonig zu bereiten. Klar und hell ist dieser, von
süßem Geruch und grünlicher Farbe; wie aber Äonig schmeckt, brauche
ich dir wohl nicht erst zu sagen.
Nach Äermann Wagner.
47. Die Birke.
Schön gerundet ist der junge Stamm der Birke, ohne Knorren und
Risse die weiße Rinde; licht und luftig ist die verzweigte Krone; dünn
und biegsam sind die herabhängenden Zweige, braun von Farbe und
mit weißen Äarzdrüsen besetzt, Tag und Nacht in beständiger Bewegung.
Die Blätter sind dreieckig, am Rande fein gesägt und glatt auf beiden
Flächen, nicht zernagt von Raupen oder Käfern, die sie durch ihre
Bitterkeit und Äärte abzuwehren wissen, und so steht der Baum schmuck
und zierlich da.
Von der Wurzel bis zum Gipfel ist nichts an ihm, was nicht viel¬
fach benutzt würde; ja der Mensch hat diesen Baum in seine Freuden-
und Leidenstage mit hineingezogen. Zu Pfingsten, wenn der Frühling
seinen Triumphzug hält, schmückt die häusliche Jungfrau die Stuben
mit den Maien des Baumes, nachdem sie zuvor das Äaus mit Besen
von Birkenreisern gekehrt hat. Die Birke liefert auch zum Feste Wein
auf die Tafel, der wie Champagner schäumt. Den Wein wie auch Zucker
spendet der Baum in seinem Safte. Bohrt man zur Zeit, wo der
Winter durch Nachtfröste noch zu schaden versucht, ein 5 cm tiefes Loch
in den Stamm des Baumes und steckt eine Röhre hinein, so fließt der
Saft in untergesetzte Gesäße und läßt sich in Wein und zuckerhaltigen
Sirup verwandeln.