Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

217 
her, die wir tot glaubten? Du Gewürm, erstarrt uud begraben, 
durchbrichst die Erde, die dich deckte, unb wimmelst umher, wohin 
wir nur unsern Fuß setzen. Woher ihr Drücken im Sonnenstrahl? 
Wir sahen euch lange nicht, und nun schwärmen Wolken von euch 
auf jeden: Pfade. Ihr Bienen des Stocks, wer weckt euch aus dem 
trägen tiefen Schlummer, daß ihr jetzt voll regen Lebens um jeden 
Blumen- und Blütenkelch summet? Ihr Fische in den Gründen, 
wer ruft euch herauf an den klaren Wasserspiegel? Und ihr Vögel 
in den Lüsten, wer locket euch aus euren Todeshöhlen hervor in 
bunter Zahl, daß ihr jetzt die Höhe bevölkert und den stillen Morgen 
mit eure:: Liedern begrüßt? Das thut der Frühling, der da ist 
ein Lebengeber der ganzen Natur. Klaus Harms. 
162. Das Gewitter. 
Die Sonne verbirgt sieh hinter den schwarzen Wolken¬ 
gebirgen, die Nacht überwältigt den Tag; die Lüfte heulen, 
die Wälder rauschen, die wirbelnden Stürme, die Vorboten 
des nahen Donners, treiben Sand und Staub und Blätter 
mit einem bangen Getöse umher; die Wellen der Flüsse 
empören sich, brausen und wälzen sich ungestümer fort. 
Die scheuen Tiere fliehen den Felsenhöhlen zu, mit ängst¬ 
lichem Geschwirre flattern die Vögel unter Dächer und 
Bäume, der Landmann eilt nach seiner Hütte, Felder und 
Gärten werden verlassen. Das Herz kämpft mit verschie¬ 
denen Leidenschaften, will seine Furcht verbergen, die in 
allen Gebeinen zittert, und arbeitet, sich mit Standhaftig¬ 
keit und Ruhe zu waffnen. Indessen wird die über die 
Erde ausgebreitete Nacht immer fürchterlicher, und aus der 
Ferne murmelt schon eine dumpfe Stimme die Drohungen 
des kommenden Donners her, dem Ohr immer hörbarer. 
Auf einmal scheint sich das ganze Gewölbe des Himmels 
zu zerreifsen; ein erschreckliches Krachen füllt den weiten 
Luftraum, die Erde bebt, und alle Echos in den Gebirgen 
werden erregt. Mit jedem Schlage des Donners fahren die 
flammenden Blitze, Strahl auf Strahl, aus, durchkreuzen 
die schwefeligen Lüfte, schlängeln sich an den Spitzen der 
Berge herab und werfen ihr Feuer in die ödesten Abgründe. 
Die Schleusen des Himmels lösen sich von ihrer Last und 
stürzen ganze Fluten herab; und indem die Wolken unter 
dem Kampfe der Winde von einer Gegend in die andere 
sich fortjagen, so tobet das wilde Geplätscher auf den dürren 
Erdboden herunter. Hirschfeld. 
Lüben und Nacke, Lesebuch. IV. 15
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.