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und die Füße nach allen Seiten hin und her, mißt den Raum
für sich und seine künftige Familie, drückt und knetet die feuchte
Erdmasse, welche das Männchen herbeischafft, fest zusammen, und
giebt mit dem Schnabel und den Füßen, sowie durch öfteres Her¬
umdrehen des Körpers dem Neste diejenige Gestalt und Größe,
die seinen Bedürfnissen auf das genaueste entsprechen. Sonst
verstehen es meist nur die Weibchen, das Nest zu bauen und ein¬
zurichten; bei den Schwalben verstehen es aber auch die Männ¬
chen und helfen getreulich mit formen, wenn Material genug da
ist. Die Schwalben haben keinen Verstand wie du, sie können
nicht denken wie ein Mensch; und doch handeln sie mit einer
solchen Überlegung und solcher Weisheit, daß sie manche Men¬
schen beschämen könnten. Sie thun jederzeit das Rechte, weil
Gott für sie denkt und ihnen sagt, was sie thun sollen; denn der
Schöpfer ist es, der ihnen das Nesterbauen lehrt und ihnen den
Weg durch deu weiten Himmelsraum zeigt. Darum fliegen sie
getrost bei Tag und Nacht, ohne Angst und Sorge, ob sie auch
Nahrung finden werden; überall, wohin sie kommen, ist schon für¬
st^ der Tisch gedeckt. Und weil eine höhere, unsichtbare Hand
ihnen bauen hilft, so wird das Nest auch so gut und fest, daß
die Jungen vor Wind und Regen trefflich geschützt sind, und daß
die Alten viele Jahre lang ihr altes Haus stets wohl erhallen
finden und immer von neuem ihre Eier hineinlegen können. Ein
Naturforscher band einem Paar Schwalben, die in seinem Hause
nisteten, einen Seidenfaden an die Beine, um sie wieder zu er¬
kennen; und siehe, sie kehrten 18 Jahre lang in dieselben Nester
zurück, die so gut angelegt waren, daß selten eine Ausbesserung
vorgenommen wurde. Man nahm eine Rauchschwalbe zur Zeit,
als sie brütete, verschloß sie in einen Käfig und reiste mit ihr
viele Meilen weit fort. Dann gab man ihr wieder die Freiheit,
und der Vogel erhob sich erst hoch in die Luft, als wollte er sich
umschauen und zurechtfinden; dann richtete er seinen Flug genau
nach der Stelle hin, wo er die junge Familie verlassen hatte. Weil
die Schwalbe sich so gut in der Luft zu orientieren weiß, so hat man
sie seit den ältesten Zeiten als Boten benutzt. Fabius Pictor erzählt
in seinen Jahrbüchern, daß, als eine römische Besatzung von den
Ligustinern belagert wurde, man ihm eine von den Jungen ge¬
nommene Schwalbe zuschickte, damit er ein Fädchen an ihre Füße
binden und durch Knoten die Zahl der Tage angeben möchte, nach
deren Verlauf er zum Entsatz herbeikommen würde, wo dann
die Besatzung einen Ausfall machen wolle. Dieser Versuch gelang.
Wenige Vögel wissen so schnell und geschickt zu fliegen, wie die
Schwalbe. Da sie vom Schöpfer auf einen fortwährenden Aufent-