91
328—
Prosa. A. Darstellungen, Abhandlungen, Betrachtungen.
Dichter Urwald deckt Poönäpes Inneres, Bäche rauschen durch schattige
Basaltschluchten, abgerundete Bergkuppen, landschaftlich wenig hervortretend,
erheben sich bis zur Höhe des Inselsbergs im Thüringer Wald, höher als
alle übrigen Karolinenberge.
Nur der Küstensaum ist bewohnt, zumal dort, wo innerhalb des auch
hier nicht fehlenden Wallriffs gute Ankerbuchten sich finden, so im Süd—
osten der Hafen von Nanmatal. An dessen Nordseite bewundern wir auf
einem flachen Koralleneiland die großartigen Bauten aus Basaltsäulen und
Basaltblöcken als Zeugen früherer größerer Schaffenskraft dieser Insulaner.
Es mögen Befestigungswerke gewesen sein; jetzt liegen sie unbenutzt; tro—
pische Schlinggewächse ranken darüber, wilde Brotfruchtbäume drängen ihre
Wurzeln in die Fundamente und beschatten das Gemäuer.
Freundlich schaut die christliche Kirche neben den sauberen Missionshäusern
aus dem Grün der Küste hervor. Recht unschön dagegen nehmen sich die
Poͤnäpesen in der von den Missionaren den Getauften vorgeschriebenen Klei⸗
dung der Zivilisation aus: in ihren schwarzen Röcken und langen, weißen
Hosen, den nie sitzenden Hüten, und nun gar die Vornehmen in altväte—
rischen Uniformfräcken, deren Stehkragen ihnen bis unter die Nase reichen.
Schwarz⸗weiß⸗rote Wimpel begrüßen uns wie am Strand von Ponäpe,
so auch an dem der äußersten karolinischen Ostinsel Kuschai; denn lange
bereits vor der deutschen Besitzergreifung war es der rüstige Unternehmungs—
geist hamburgischer Kaufherren, der den Handel auf den Karolinen haupt-
sächlich in deutsche Hände brachte.
Kuschai ist eine noch weit reizvollere Gebirgsinsel als Poͤnäpe. Viel
mannigfaltiger ist sein nur annäherungsweise kreisförmiger Umriß, viel kühner
ragen seine Basaltkegel zu allerlei Hörnern und Zuckerhutspitzen empor. Von
kühlen Bächen durchrauschte Talschluchten sind vorläufig die einzigen Zu—
gangsstraßen in das auch hier durchaus von Urwald eingenommene Innere.
Lassen wir das Wallriff hinter uns, wo jetzt bei Ebbe zahllose Strand—
läufer und Seeschwalben sich tummeln, im frischen Wasser nach Nahrung
haschend, und ruͤdern wir, nachdem der letzte Sonnenstrahl im bläulich—
violetten Schimmer der obersten Bergspitzen verloschen ist, unseren Nachen
durch das spiegelglatte Gewässer der Lagune, eine Nacht auf dem Meer
und doch zugleich im Wald zu verträumen. Hier ist uns das vergönnt;
denn nachdem der aufgehende Mond sein Silberlicht über die Lagune ge—
gossen, lenken wir ein in die schweigsamen Hallen des Mangrovedickichts,
das wie ein Gürtel sich um den Fuß des Kuschai-Berglandes herumzieht.
Zauberhaft ragen die Mangrovestämme auf ihrem Luftwurzelgestell über den
glitzernden Ebbespiegel, schwarze Schatten werfen die dichtbelaubten Kronen,
aus deren Geäst senkrechte Luftwurzeln sich niedergesenkt haben in den weichen
Schlammgrund des Meeres, dicht vor dem Strand.
Am frühen Morgen suchen wir auf dem in der Nähe mündenden Bach
ein Stück in den Urwald hineinzufahren und dann weiter am Ufer des
Baches emporzuklimmen. Welch eine Fülle und Pracht von Pflanzen—